23.09.2019 Drucksache 6/7784Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 15. Oktober 2019 Pläne der Landesregierung zum klimaangepassten Umbau der Thüringer Wälder - Teil I Die Kleine Anfrage 4056 vom 30. Juli 2019 hat folgenden Wortlaut: In der letzten Zeit sind viele Wälder in Thüringen von Trockenheit, Sturm, Waldbrand und Schädlingsbefall betroffen. Die Auswirkungen dieser Schadereignisse werden sich in den zukünftigen Produktionszeiträu men vieler Nutzwälder bemerkbar machen. Auf wissenschaftlicher Ebene beschäftigen sich Forstwirtschaft und Naturschutz gleichermaßen mit dem klimatoleranten Waldumbau. Diesbezüglich werden derzeit Kern punkte wie die Erhöhung der Resistenz und Resilienz der Wälder in ihrer jetzigen Zusammensetzung und die Anpassung der Wälder an ein zu erwartendes Klima durch Veränderung der Baumartenzusammenset zung und Erhöhung der Anpassungsfähigkeit in Wissenschaft wie zuständigen Ministerien intensiv disku tiert. Zwischen Behörden, Verbänden und Naturschutzexperten herrscht diesbezüglich Dissens. Weiterhin klassifiziert das Bundesamt für Naturschutz einige für den klimatoleranten Waldumbau in Frage kommende Baumarten als gebietsfremd beziehungsweise invasiv. Zudem bescheinigen Naturschutzexperten einigen gebietsfremden Baumarten fehlende Naturnähe, hohes Invasivitätspotential und schwierige Bodenpfleg lichkeit. Einige Forstexperten befürworten jedoch einen Mischbestand mit heimischen Arten in Kopplung mit einer gutforstlichen, praxisnahen Waldpflege mit qualitativem Wassermanagement und ausreichender Lichtzufuhr durch Kahlschlag zur Schädlingsreduktion. Ferner hält der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland den Anbau gebietsfremder Baumarten für unergiebig, da heimische Arten ausreichende Mög lichkeiten für einen klimatoleranten Waldumbau bieten würden. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche nachhaltigen Waldumbaustrategien hält die Landesregierung in den heimischen Waldbestän den für sinnvoll? 2. Welchen Zeitraum plant die Landesregierung für eine nachhaltige Waldumbaustrategie ein, wenn in der Forstwirtschaft in Zeiträumen von 50 bis 100 Jahren geplant wird und wann kann aus Sicht der Landes regierung mit nachhaltig etablierten Waldbeständen in Thüringen gerechnet werden? 3. Welche Maßnahmen bewertet die Landesregierung als effektiv, um den Verlust wertvoller Nutzwälder durch extreme Naturereignisse und Folgeereignisse einzudämmen und wie kann der Ausfall von Jungbaum beständen durch Trockenheit, Schädlinge und Waldbrand in Thüringen nachhaltig kompensiert werden? 4. Wie können Altersklassenbestände der Fichte, die massiv durch Borkenkäfer, Stürme und Orkane ge schädigt wurden, zeitlich und waldbaulich effektiv wieder aufgeforstet werden und welche Baumarten könnten die Fichte in ihrer forstwirtschaftlichen Bedeutung zukünftig ablösen? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kießling (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7784 5. Wie bewertet die Landesregierung die waldwirtschaftliche Nichtnutzung von Wäldern durch die Auswei tung von Naturschutzgebieten oder Ähnlichem und sind solche Naturschutzmaßnahmen aus Sicht der Landesregierung förderlich für eine Bekämpfung von Schädlingen wie dem Borkenkäfer oder anderer Forstschädlinge? 6. Wie bewertet die Landesregierung die Gefahr des Kahlfraßes durch den Kiefernschädling Nonnefalter vor dem Hintergrund und in Folge des starken Borkenkäferbefalls der Thüringer Fichtenbestände und wie bewertet die Landesregierung natürliche und chemische Pflanzenschutzmaßnahmen zur Bekämp fung dieser Schädlinge? 7. Wie bewertet die Landesregierung mögliche Bauvorhaben von Windenergieanlagen in geschwächten und von Schädlingen befallenen Thüringer Wäldern und sind solche Baumaßnahmen zweckdienlich für den Erhalt von stabilen und nachhaltigen Nutzwäldern und der dort ansässigen Fauna? 8. Können negative Auswirkungen auf die heimische Fauna im Bau und Betrieb von Windenergieanlagen in Thüringer Wäldern durch die Landesregierung gesehen werden? Wenn ja, welche? Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 19. September 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Landesregierung verfolgt mit dem Konzept der naturnahen Waldwirtschaft bereits seit annähernd 30 Jah ren eine nachhaltige Waldumbaustrategie. Zentrale Grundsätze einer naturnahen Waldwirtschaft sind: • Beachtung der Vielfalt der Waldstandorte, • Erhaltung und Aufbau von strukturreichen dauerwaldartigen Mischwäldern, • Vorrang der Naturverjüngung, wo Boden und Vorbestand es zulassen ansonsten Anbau von standort und herkunftsgerechten Baumarten, • grundsätzlicher Verzicht auf Kahlhiebe, • Ausrichtung der Waldpflege und der Ernte am Einzelbaum, • Berücksichtigung sukzessionaler Entwicklungsprozesse, • Stärkung des Selbstregulierungsvermögens des Walds durch integrierten Forstschutz, • bestands und bodensschonende Holzernte und • Integration von Naturschutzzielen. Mit dem Aktionsplan Wald 2030 ff. bekräftigt die Landesregierung die Notwendigkeit des Waldumbaus als dringliche Anpassungsmaßnahme an den Klimawandel auf Basis der zentralen Grundsätze einer naturna hen Waldwirtschaft. Darüber sieht der Aktionsplan Wald 2030 ff. insbesondere eine Stärkung der angewand ten Forschung und des forstlichen Versuchswesens und damit die wissenschaftliche Grundlagenarbeit für erkenntnisbasierte Entscheidungen beim Waldumbau vor. Zu 2.: Der Waldumbau ist gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels eine Daueraufgabe zur Sicherung der nachhaltigen Leistungsfähigkeit unserer Wälder. Ein konkreter Zeitraum, bis wann mit nachhaltig etab lierten Waldbeständen in Thüringen gerechnet werden kann, kann deshalb nicht angegeben werden. Zu 3.: Effiziente Ansätze zur Verlustminderung sind in der Antwort zu Frage 1 zu den Grundsätzen einer nachhal tigen Waldumbaustrategie genannt. Welche der hieraus abgeleiteten Maßnahmen im Einzelfall anzuwen den sind, ist vor Ort insbesondere angesichts der jeweiligen Baumarten, des aktuellen Bestandszustands, der jeweiligen Standortsverhältnisse und Bewirtschaftungsziele zu entscheiden. Eine Kompensation von schadensbedingt ausgefallenen Jungwaldstadien erfolgt in Erfüllung der waldge setzlichen Pflicht zur Wiederaufforstung je nach Schadensintensität auf der Fläche durch Nachbesserun gen oder Wiederholungen mittels Pflanzung. Hierbei gelten die gleichen Grundsätze wie in der Antwort auf Frage 1 geschildert. Zu 4.: Die Wiederbewaldung hängt von verschiedenen Rahmenbedingungen ab. Je nach Größe der geschädig ten Flächen sind unterschiedliche Strategien zu favorisieren. Bei sehr kleinen Flächen kann bei geeigne tem Altbestand auf Naturverjüngung (gegebenenfalls mit Ergänzungspflanzung von Mischbaumarten) mit 3 Drucksache 6/7784Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode späterer Mischungsregulierung beispielsweise Ergänzung gesetzt werden. Bei größeren Flächen ist unter Nutzung geeigneter Naturverjüngung über Pflanzung beispielsweise Saat ein geeigneter Folgebestand (ge gebenenfalls mit Vorwaldcharakter) zu etablieren. Der Anteil an Laubholz ist hierbei deutlich zu erhöhen. Hierbei gelten die gleichen Grundsätze wie in der Antwort auf die Frage 1 geschildert. In Thüringen gibt es auf Grundlage der forstlichen Standortskartierung eine für den Wald flächendecken de Übersicht anhand von geomorphologischen, klimatischen, bodenkundlichen, vegetationskundlichen und waldgeschichtlichen Merkmalen regional und höhenzonal abgegrenzter kleinräumiger Standortseinheiten, die vergleichbare Waldwachstumsverhältnisse aufweisen. Für jede dieser Standortseinheiten liegen Baum artenempfehlungen der Landesforstverwaltung vor, die im Internet* abrufbar sind. Zu 5.: Nach Naturschutzrecht ausgewiesene Schutzgebiete sind nicht pauschal mit Einschränkungen der Waldwirt schaft verbunden. Nutzungen werden nur eingeschränkt, soweit dies zum Erreichen der jeweiligen Schutz ziele erforderlich ist. Einschlägig sind hier die jeweiligen Schutzgebietsverordnungen. Für die von der forstlichen Nutzung ausgenommenen Flächen im Eigentum der Landesforstanstalt (fünf Prozent-Ziel) gilt nach § 11 Abs. 7 des Gesetzes über die Errichtung der Anstalt öffentlichen Rechts "Thü ringenForst" generell, dass aus Gründen des Forstschutzes für angrenzende Wälder Bäume entnommen werden dürfen. Zu 6.: Aktuell spielen Nonnen-Fraßschäden in Thüringen keine Rolle. Pflanzenschutzmittel werden im Wald nach dem Konzept des integrierten Pflanzenschutzes nur im Ausnahmefall angewendet, zum Beispiel um wald bestandsbedrohende Insektenkalamitäten abzuwenden. Die Landesregierung bewertet die Durchführung von hier angesprochenen Pflanzenschutzmaßnahmen als fachlich anspruchsvoll, aber auf Grundlage der Ausnahmemöglichkeiten nach Artikel 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 für Notfallsituationen, als lösbar. Zu 7.: Angesichts notwendiger Klimaschutzmaßnahmen durch Treibhausgasminderung ist ein Ausbau der Wind energie gemäß § 4 Thüringer Klimagesetz gesetzlich fixiert. Im Rahmen der regionalplanerischen Entscheidungsprozesse für die Ausweisung von Vorranggebieten Windenergie im Wald müssen die waldgesetzlichen Maßgaben berücksichtigt werden. Die Einbeziehung von Waldgebieten in die Planung von Vorranggebieten Windenergie ergibt sich aus der geltenden Rechts lage sowie dem Stand der Technik. Das Thüringer Waldgesetz schließt eine Errichtung von Windenergie anlagen in geschützten Waldgebieten aus. Angesichts der jüngsten extremwetterbedingten Schadensent wicklung in den Wäldern hat die Landesregierung im "Aktionsplan Wald 2030 ff." zudem festgehalten, dass die Regionalen Planungsgemeinschaften ihre Planung der Vorranggebiete Windenergie im Wald daraufhin überprüfen sollen, dass möglichst auf Kalamitätsflächen zurückgegriffen wird, um den Waldbestand nicht zusätzlich zu belasten. Bezüglich der Auswirkungen auf die Fauna wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. Zu 8.: Eine allgemeingültige Aussage kann hierzu nicht getroffen werden, da immer der konkrete Einzelfall betrach tet werden muss. Für Errichtung und Betrieb jeder Windenergieanlage mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern ist eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erforderlich. Sie schließt andere öffentlichrechtliche Zulassungen oder Genehmigungen mit ein (§ 13 Bundes-Immissionsschutzgesetz). Darunter fallen zum Bei spiel Baugenehmigung, naturschutzrechtliche Eingriffsgenehmigung und Rodungsgenehmigungen. Zudem wird auf die Antwort der Landesregierung zu Frage 127 der Großen Anfrage der Fraktion der CDU (Druck sache 6/3506) verwiesen. Negative Auswirkungen auf die heimische Fauna können zu Ausgleichsmaßnah men führen oder auch den Bau von Windenergieanlagen an einem konkreten Standort unmöglich machen. Keller Minister Endnote: * Vergleiche https://www.thueringenforst.de/aktuelles-medien/download-mediathek/mediathek/1/WaldGesetz/ Pläne der Landesregierung zum klimaangepassten Umbau der Thüringer Wälder - Teil I Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Endnote: