23.09.2019 Drucksache 6/7785Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 15. Oktober 2019 Pläne der Landesregierung zum klimaangepassten Umbau der Thüringer Wälder - Teil II Die Kleine Anfrage 4057 vom 30. Juli 2019 hat folgenden Wortlaut: In der letzten Zeit sind viele Wälder in Thüringen von Trockenheit, Sturm, Waldbrand und Schädlingsbefall betroffen. Die Auswirkungen dieser Schadereignisse werden sich in den zukünftigen Produktionszeiträumen vieler Nutzwälder bemerkbar machen. Auf wissenschaftlicher Ebene beschäftigen sich Forstwirtschaft und Naturschutz gleichermaßen mit dem klimatoleranten Waldumbau. Diesbezüglich werden derzeit Kernpunkte wie die Erhöhung der Resistenz und Resilienz der Wälder in ihrer jetzigen Zusammensetzung und die Anpassung der Wälder an ein zu erwartendes Klima durch Veränderung der Baumartenzusammensetzung und Erhöhung der Anpassungsfähigkeit in Wissenschaft wie zuständigen Ministerien intensiv diskutiert . Zwischen Behörden, Verbänden und Naturschutzexperten herrscht diesbezüglich Dissens. Weiterhin klassifiziert das Bundesamt für Naturschutz einige für den klimatoleranten Waldumbau in Frage kommende Baumarten als gebietsfremd beziehungsweise invasiv. Zudem bescheinigen Naturschutzexperten einigen gebietsfremden Baumarten fehlende Naturnähe, hohes Invasivitätspotential und schwierige Bodenpfleglichkeit . Einige Forstexperten befürworten jedoch einen Mischbestand mit heimischen Arten in Kopplung mit einer gutforstlichen, praxisnahen Waldpflege mit qualitativem Wassermanagement und ausreichender Lichtzufuhr durch Kahlschlag zur Schädlingsreduktion. Ferner hält der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland den Anbau gebietsfremder Baumarten für unergiebig, da heimische Arten ausreichende Möglichkeiten für einen klimatoleranten Waldumbau bieten würden. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche einheimischen und gebietsfremden Baumarten sieht die Landesregierung für zukünftige Waldumbaumaßnahmen in Thüringen als besonders geeignet an und wie begründet sie dies (bitte Begründung je Baumart)? 2. Wie bewertet die Landesregierung den Sachverhalt, dass seit den 1970er Jahren eine erhebliche Ausweitung der Douglasienbestände in Deutschland anhält, so dass langfristig Douglasienanteile von über zehn Prozent in Deutschland erwartet werden könnten, obwohl diese Baumart auf der Schwarzen Liste der invasiven Arten steht? 3. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung darüber, dass Defizite in der Umsetzung der forstwirtschaftlichen Praxis, darunter fortwährende Anpflanzungen von Koniferen-Monokulturen, mangelnde Lichtzufuhr durch zu geringe Abstände zwischen den Baumreihen und uneinheitliche Wasserversorgung der Bäume bedingt durch veränderte Bodenstrukturen, nach Aussage einiger Experten zum aktuellen Waldzustand geführt haben? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kießling (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7785 4. Beabsichtigt die Landesregierung die Bejagung des wiederkäuenden Schalenwildes zur Begünstigung des klimaangepassten Waldumbaus in Thüringen zu intensivieren? Falls ja, warum und in welchem Ausmaß? 5. Hält die Landesregierung an ihren Plänen, gerade im Blick auf die Kohlenstoffdioxid-Diskussion und den Wald als Kohlenstoffdioxid-Speicher und -wandler, fest, in Größenordnungen von über 10.000 Quadratmetern Wald zusätzlich abzuholzen, um diese Waldflächen einer anderen Nutzungsart zuzuführen? 6. Wie viele intakte Quadratmeter Wald sind seit dem Jahr 2015 bis heute in Thüringen hinzugekommen beziehungsweise sind verloren gegangen? 7. Werden die Neuanpflanzungen der geschädigten Waldflächen für den Herbst aktuell von Thüringen- Forst vorbereitet? Wenn ja, wie und welche Setzlinge in welcher Stückzahl wurden schon geordert und zu welchen Gesamtkosten? 8. Wie hoch belaufen sich laut Schätzung von ThüringenForst und der Landesregierung die Wiederaufforstungskosten (Sachkosten und Personalkosten getrennt) insgesamt? 9. Sind Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen über das Arbeitsamt für ThüringenForst bezüglich der Beseitigung der Waldschäden in Arbeit? Wenn ja, welche Maßnahmen sollten wo genau durchgeführt werden ? Wenn nein, warum nicht? Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Landesre gierung mit Schreiben vom 19. September 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: In Thüringen gibt es auf Grundlage der forstlichen Standortskartierung eine für den Wald flächendeckende Übersicht anhand von geomorphologischen, klimatischen, bodenkundlichen, vegetationskundlichen und waldgeschichtlichen Merkmalen regional und höhenzonal abgegrenzter kleinräumiger Standortseinheiten, die vergleichbare Waldwachstumsverhältnisse aufweisen. Für jede dieser Standortseinheiten liegen Baumartenempfehlungen der Landesforstverwaltung vor, die auf der Homepage von ThüringenForst abrufbar sind. Diese Baumartenempfehlungen begründen sich auf einer Verschneidung vorhandener Erkenntnisse der Wissenschaft mit praktischem Erfahrungswissen und sind das Ergebnis eines intensiven Arbeits- und Abstimmungsprozesses innerhalb der Landesforstverwaltung. Für den Staatswald sind diese Empfehlungen verbindlich, dem Privat- und Körperschaftswald stehen sie als Entscheidungshilfe für eine standortgerechte Baumartenwahl zur Verfügung. Der umfangreiche Empfehlungskatalog basiert dabei auf neu abgegrenzten Klimabereichen, bei denen prognostizierte Klimaänderungen bereits eingeflossen sind. Der Katalog wird dem Erkenntnisfortschritt angepasst . Neben der Nennung von sich als Haupt-, Misch- oder Nebenbaumarten eignender Baumarten umfasst der Katalog als Entscheidungsgrundlage auch waldbaulich zweckmäßige Baumartenkombinationen (Bestandszieltypen). Wesentlicher Grundsatz hierbei ist, dass im Interesse der Risikoverteilung für alle Standorts-/Klimaeinheiten Mischbestandsvorschläge enthalten sind. Je nach Standorts-/Klimaeinheit sollen in diese Mischbestände neben den waldprägenden einheimischen Rotbuchen, Eichen, Fichten, Kiefern und Weißtannen vor allem die bislang weniger häufigen einheimischen Sorbus- und Ahorn-Arten, Wildobst, Vogelkirsche, Ulmen-, Linden-, Nuss-, Weiden- und Pappelarten, Birke und Eibe offensiv einbezogen werden. Auch gebietsfremde Baumarten wie Douglasie, Roteiche, Schwarznuss, Baumhasel, Hickory, Esskastanie, Küstentanne, Schwarzkiefer, Hemlocktanne können unter Beachtung ihrer Standortsansprüche und von Schutzgebietsauflagen die Baumartenvielfalt der Waldbestände erhöhen. Zu 2.: Die Schwarze Liste - Managementliste des Bundesamts für Naturschutz enthält gebietsfremde Arten, die großräumig auftreten, beziehungsweise solche, für die keine erfolgversprechenden Bekämpfungsmaßnahmen bekannt sind. Hier sollen Maßnahmen nur lokal erfolgen, um den negativen Einfluss auf "besonders schützenswerte Arten, Lebensräume oder Gebiete zu minimieren". Im Ergebnis intensiver Fachgespräche auf wissenschaftlicher Grundlage wurde für die Douglasie festgehalten , dass ihr Anbau auf der weit überwiegenden Anzahl von Waldstandorten in Deutschland keine erhebliche Gefährdung der Biodiversität und der damit verbundenen Ökosystemdienstleistungen darstellt. Auf bestimmten Sonderstandorten von insgesamt geringem Flächenumfang sollte die Douglasie jedoch nicht 3 Drucksache 6/7785Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode angebaut werden (Gemeinsames Papier des Deutschen Verbands Forstlicher Versuchs- und Forschungsanstalten und des Bundesamts für Naturschutz, im Jahr 2016). Der Anteil der Douglasie liegt in Thüringen gemäß den Ergebnissen der Dritten Bundeswaldinventur (im Jahr 2012) bei lediglich 0,4 Prozent der Waldfläche. Somit ist Thüringen weit von Douglasienanteilen von über zehn Prozent entfernt. Zu 3.: Der aktuelle Waldzustand ist ein Ergebnis des Extremwetters als Folge des Klimawandels. Waldflächen in nutzungsfreien Schutzgebieten (zum Beispiel Nationalpark Hainich) sind deshalb genauso betroffen wie bewirtschaftete Wälder. Zu 4.: Das Gelingen von Waldverjüngungs- und damit auch Waldumbaumaßnahmen ist von einer Vielzahl äußerer Faktoren abhängig, insbesondere von dem kurz- und mittelfristigen Witterungsverlauf (Niederschlag, Trockenheit, Temperatur), aber auch vom Einfluss des Wilds. Wildschutzmaßnahmen (Zäunung, Verbissschutzmittel, Einzelschutz) für alle Waldumbauflächen würde einen nicht zu bewältigenden Umfang erreichen und im Falle von Zäunung dem Wild zusätzlich Lebensraum entziehen. Aus diesem Grund ist eine intensive Wildbestandsregulierung zur Sicherung der Investitionen in die nachhaltige Leistungsfähigkeit der Wälder hinsichtlich ihrer vielfältigen Ökosystemdienstleistungen und Waldfunktionen unter Einhaltung der rechtlichen, ethischen und wildökologischen Vorgaben und Rahmenbedingungen notwendig. Zu 5.: Entsprechende Pläne sind nicht bekannt. Zu 6.: Die nachstehende Waldflächenbilanz für die Jahre 2015 bis 2018 stellt den Saldo aus dem Verlust von Waldflächen infolge von genehmigten Nutzungsartenänderungen gemäß § 10 Thüringer Waldgesetz (Thür- WaldG) und genehmigten Erstaufforstungen gemäß § 21 ThürWaldG dar. Bei diesen Erstaufforstungen handelt es sich in den letzten Jahren weit überwiegend um "funktionsgleiche Ausgleichsaufforstungen" gemäß § 10 Abs. 3 ThürWaldG, mit denen die nachteiligen Wirkungen von Nutzungsartenänderungen kompensiert werden sollen. Im Zeitraum von 2015 bis 2018 hat die Waldfläche um 86.475 Quadratmeter zugenommen. (Angaben in Quadratmeter) 2015 2016 2017 2018 Aufforstungen 208.400 95.936 347.900 50.142 Nutzungsartenänderung gemäß §10 ThürWaldG -149.930 -66.236 -174.870 -224.873 Saldo 58.475 29.700 173.000 -174.700 Zu 7.: Aktuell werden einzelne Schadflächen zur Wiederaufforstung vorbereitet. Der Schwerpunkt der Arbeiten in der Landesforstanstalt liegt aber gegenwärtig bei der Sanierung der Borkenkäferkalamitätsflächen. Darüber hinaus ist abzuwarten, ob die herbstliche Witterung eine risikominimierte Bepflanzung der Schadflächen zulässt. Die Forstbaumschule der Landesforstanstalt in Breitenworbis hält indes ausreichend Pflanzgut für eine Pflanzkampagne im Herbst 2019 zur Verfügung. Durch die Thüringer Forstämter wurden mit Stand 20. August 2019 rund 137.600 Forstpflanzen bei der Forstbaumschule Breitenworbis geordert. Die Baumartenverteilung ist nachfolgender Tabelle zu entnehmen. Die Gesamtkosten der georderten Pflanzen belaufen sich auf rund 200.000 Euro. Baumart Anzahl Rotbuche 60.100 Traubeneiche 4.970 Stieleiche 4.800 Roteiche 2.000 Hainbuche 1.180 Feldahorn 4.500 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7785 Baumart Anzahl Spitzahorn 840 Bergahorn 2.350 Winterlinde 8.760 Elsbeere 25 Schwarznuss 250 Hickory 200 Speierling 383 Mehlbeere 180 Bergulme 22 Flatterulme 59 Weißdorn 10 Schlehe 10 Gemeine Fichte (Hochlagenherkunft) 9.900 Douglasie 19.100 Weißtanne 16.800 Küstentanne 1.200 Summe 137.639 Zu 8.: Die Thüringer Landesregierung sieht in der Wiederaufforstung der durch Extremwetter und Borkenkäferkalamität geschädigten Waldbereiche einen aktuellen Schwerpunkt bei der klimagerechten Anpassung der Wälder in Thüringen. Zusammen mit Waldumbaumaßnahmen auf Risikoflächen sind Wiederaufforstungen dementsprechend zentrale Elemente des Aktionsplans Wald 2030 ff. der Landesregierung. Auf Basis der gegenwärtig zur Verfügung stehenden Informationen wird von einem finanziellen Volumen des Aktionsplans Wald 2030 ff. in Höhe von 500 Millionen Euro in den kommenden zehn Jahren ausgegangen, wobei Anpassungsmaßnahmen im Zuge von Wiederaufforstungen und Waldumbauten einen Großteil dieses Volumens einnehmen. Hierunter fallen Arbeitsleistungen für die Flächenvorbereitung, Pflanzung, Nachbesserung sowie den Forstschutz (insbesondere gegen Mäuse) und Wildschutz. Sachkosten entstehen insbesondere durch die Beschaffung von Pflanzen und von Material für Forst- und Wildschutzmaßnahmen. Die Anteile von Sach- und Personalkosten sind eigentums- beziehungsweise betriebsabhängig. Zu 9.: Solche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sind derzeit nicht geplant. Im Gegensatz zu den 1990er Jahren fehlen auf dem zweiten Arbeitsmarkt in dieser Branche ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte. Keller Ministerin Pläne der Landesregierung zum klimaangepassten Umbau der Thüringer Wälder - Teil II Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: