08.10.2019 Drucksache 6/7835Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 23. Oktober 2019 Fort- und Weiterbildungen für Menschen mit Behinderungen Die Kleine Anfrage 4026 vom 19. Juli 2019 hat folgenden Wortlaut: Im Freistaat Thüringen gibt es ein vielfältiges Angebot an Fort- und Weiterbildungen. Nach Artikel 2 Abs. 4 Satz 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen sind das Land und seine Gebietskörperschaften in der Pflicht, die gleichwertige Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft von Menschen mit Behinderungen zu fördern. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie wird berufliche Bildung und Erwachsenenbildung von Menschen mit Behinderungen in Thüringen gewährleistet? Wie viele Menschen mit Behinderungen wurden in den vergangenen fünf Jahren fortund weitergebildet (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? 2. Wie ist die Weiterbildung von ehrenamtlich engagierten Menschen mit Behinderungen im Freistaat Thüringen geregelt? Welche Möglichkeiten zur Fort- und Weiterbildung bestehen? 3. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, um Bildungsangebote für Menschen mit Behinderungen zu erweitern und zu fördern? 4. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, ehrenamtlich engagierte Menschen mit Behinderungen weiterzubilden? 5. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, Menschen mit Behinderungen als Lehrkräfte an Fortund Weiterbildungen für Menschen mit Behinderungen gezielt zu beteiligen? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 30. September 2019 (Eingang: 8. Oktober 2019) wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Erwachsenenbildung in Thüringen dient der Umsetzung lebensbegleitenden Lernens, welches sich an den konkreten Bedürfnissen der Lernenden orientiert. In Thüringen sind 23 Volkshochschulen, drei Heimvolkshochschulen und 13 freie Träger nach dem Thüringer Erwachsenenbildungsgesetz (ThürEBG) anerkannt und erhalten entsprechend ihrer Leistungen Fördermittel aus dem Thüringer Landeshaushalt. K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Meißner (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7835 Die grundlegenden Ziele und Aufgaben der Erwachsenenbildung werden durch das Thüringer Erwachsenenbildungsgesetz geregelt. Den Inhalt der Erwachsenenbildung bestimmen im Übrigen die Bildungsbedürfnisse der Erwachsenen. In § 1 ThürEBG - Ziele der Erwachsenenbildung - ist definiert, dass die Erwachsenenbildung allen offensteht . Unabhängig von Geschlecht, Religion, ethnischer Zugehörigkeit, besonderen Lernbedürfnissen, sozialen oder ökonomischen Voraussetzungen sollen alle Menschen die gleichen Möglichkeiten haben, an qualitativ hochwertiger Bildung teilzuhaben und ihre Potenziale zu entwickeln. Zu 1.: Die Gewährleistung von Bildung für alle Menschen genießt auf UN-Ebene höchste Priorität. Mit der Verabschiedung der Globalen Nachhaltigkeitsagenda im September 2015 hat sich die Weltgemeinschaft verpflichtet, bis 2030 eine hochwertige, inklusive und chancengerechte Bildung für Menschen weltweit und ein Leben lang sicherzustellen. Darüber hinaus soll mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention die Teilhabe jedes Bürgers und jeder Bürgerin gewährleistet und die Entfaltung seines individuellen Potentials ermöglicht werden. Der Thüringer Maßnahmenplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention verfolgt unter anderem das Ziel, die Angebote der Erwachsenenbildung für Menschen mit Behinderung auszubauen. Die "Inklusive Erwachsenenbildung" basiert auf den Aussagen und Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention , insbesondere des Artikels 24. Darin heißt es im Absatz 5, dass Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen Zugang zur Erwachsenenbildung und zum lebenslangen Lernen haben sollen. Ein wichtiger Schritt ist die Aufnahme der Maßnahme I.2: "Unterstützung der schrittweisen Umsetzung der Leitlinien für eine inklusive Erwachsenenbildung durch die entsprechend anerkannten Einrichtungen im Rahmen der haushälterischen Möglichkeiten" in den Thüringer Maßnahmenplan 2.0 zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Im Haushaltsplan 2020 sind dafür im Kapitel 04 43 Titel 894 01 - Zuschüsse für Investitionen zur Förderung einer inklusiven Erwachsenenbildung - Haushaltsmittel in Höhe von zwei Millionen Euro veranschlagt. Aktuell wird eine Richtlinie zur Förderung der Inklusion in der Erwachsenenbildung erarbeitet. Diese soll ab dem Jahr 2020 in Kraft treten. Als Indikatoren für eine Barrierefreiheit der Erwachsenenbildungseinrichtungen gelten insbesondere die vorhandenen Unterstützungsangebote für Menschen mit Behinderungen und die absolvierten Weiterbildungen von Mitarbeitenden zu den Themen Inklusion. Aber auch die Barrierefreiheit der Webseite der Einrichtung, die bauliche Beschaffenheit der Gebäude der Erwachseneneinrichtung sowie die Möglichkeit der Umsetzung von Inklusion im Rahmen des aktuellen Finanzbudgets zählen hierzu. Bei den anerkannten Einrichtungen der Erwachsenenbildung in Thüringen wurden quantitative und qualitative Daten zur Barrierefreiheit erhoben. Auf der Grundlage der empirischen Untersuchung zu Möglichkeiten , Bedingungen und Umsetzung einer inklusiven Erwachsenenbildung durch die Ernst-Abbe-Hochschule Jena in Thüringen und den Ergebnissen einer Fachtagung am 15. September 2016 haben die anerkannten Erwachsenenbildungseinrichtungen mögliche Ansätze erarbeitet, wie Inklusion als Entwicklungshorizont begriffen und ausgestaltet werden kann. Darauf aufbauend, wurden durch eine durch das Landeskuratorium für Erwachsenenbildung in Thüringen berufene Arbeitsgruppe "Inklusive Erwachsenenbildung" unter Einbeziehung des für Erwachsenenbildung zuständigen Ministeriums Leitlinien und zur Umsetzung empfohlene Maßnahmen entwickelt. Die Leitlinien orientieren sich an den verschiedenen Aspekten der Barrierefreiheit. Dabei muss im Blick behalten werden, dass Inklusion eine gesamtgesellschaftliche und politische Aufgabe darstellt. Daher stellen die angeführten Leitlinien in der Summe nicht nur eine Herausforderung für die Träger der Erwachsenenbildung dar, sondern letztlich auch für die Entscheidungsträger auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen im privaten und öffentlichen Sektor. Die Leitlinien stecken den Rahmen eines Entwicklungsprozesses ab, der Schritt für Schritt umzusetzen ist (Anlage). Für den Bereich der Erwachsenenbildung liegen keine Angaben vor, wie viele Menschen mit Behinderungen in den vergangen fünf Jahren fort- und weitergebildet wurden. Nachfolgend sind Daten zur Inanspruchnahme von Bildungsfreistellung für anerkannte Bildungsveranstaltungen nach dem Thüringer Bildungsfreistellungsgesetz (ThürBfG) aufgeführt. Die Ermächtigungsgrundlage zur Erhebung der Daten ist in § 12 Abs. 2 ThürBfG zu finden. Die Datenerhebung umfasst Angaben über Anzahl, Geschlecht, Alter, das Vorliegen einer anerkannten Behinderung, Vorbildung, Beruf, Anstellungsverhältnis und Staatsangehörigkeit der Teilnehmenden sowie über die Betriebsgröße des Arbeitge- 3 Drucksache 6/7835Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode bers. Da der Anspruch auf Bildungsfreistellung erst seit dem 1. Januar 2016 besteht, liegen daher erst ab diesem Zeitpunkt Daten vor. Insgesamt liegen dem Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport zu der Kategorie "Vorlage einer anerkannten Behinderung" Rückmeldungen von 3.476 Personen vor. 102 Personen gaben dabei an, eine anerkannte Behinderung zu haben. Das entspricht 2,93 Prozent der Rückmeldungen zu dieser Kategorie. Nachfolgend sind die Rückmeldungen von Teilnehmenden mit einer anerkannten Behinderung nach Themenbereichen und Jahren aufgeschlüsselt dargestellt. Themenbereiche 2016 2017 2018 2019 Summe pro Themenbereich arbeitsweltbezogen 1 9 20 8 38 gesellschaftspolitisch 0 1 15 36 52 ehrenamtsbezogen 0 10 2 0 12 Summe pro Jahr 1 20 37 44 102 Zu 2. und 4.: Die Beantwortung der Fragen 2 und 4 erfolgt aufgrund des thematischen Zusammenhangs gemeinsam. Fortbildungsangebote für ehrenamtlich Engagierte stehen grundsätzlich allen Menschen offen, sofern Berührungspunkte mit dem jeweiligen ehrenamtlichen Engagement vorhanden sind und Interesse besteht. Somit können Menschen mit Behinderungen grundsätzlich an allen Fortbildungsangeboten im Ehrenamt teilnehmen. Entstehen durch die persönliche Einschränkung der Teilnehmerin oder des Teilnehmers Hürden , an einer Fortbildungsmaßnahme teilzunehmen, ist zu prüfen, welche üblichen Unterstützungssysteme (Sehbegleitung für blinde Menschen et cetera) genutzt werden können, um die Teilnahme zu ermöglichen. Vereinzelt gibt es spezielle Qualifizierungsangebote, wie beispielsweise die Weiterbildung zur/zum Genesungsbegleiter*in, eine Ausbildung des EX-IN Landesverbandes Thüringen e.V. Dort werden Menschen mit Psychiatrieerfahrung für die ehrenamtliche Begleitung anderer Betroffener ausgebildet. Diese Angebote gehören zum Bereich der Selbsthilfe. Mit der Etablierung des "Bildungsnetzes für bürgerlich Engagierte" in der Thüringer Ehrenamtsstiftung (seit 2013/2014 gefördert durch den Generali Zukunftfonds), werden Fortbildungs- beziehungsweise Weiterbildungsangebote für ehrenamtlich Engagierte in Thüringen jährlich mit 19.000 Euro aus der Projektförderung (Zuweisung aus dem Landeshaushalt) auf Antrag anteilig bewilligt. Zu 3.: Für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft spielen Bildungsprozesse und entsprechende Angebote der Erwachsenenbildung eine bedeutende Rolle. Das Aufgreifen der bewusstseinsbildenden Dimension des Inklusionsgedankens und die Etablierung inklusiver Sichtweisen und Haltungen decken sich mit den traditionellen Werten der Erwachsenenbildung. Im Ergebnis einer in den Jahren 2015/2016 durchgeführten empirischen Untersuchung der Ernst-Abbe- Hochschule Jena zu Möglichkeiten, Bedingungen und Umsetzung einer inklusiven Erwachsenenbildung in Thüringen konnte der Sachstand erfasst und eine Bewertung der Ergebnisse vorgenommen werden. Auf dieser Basis wurden Leitlinien und dazu gehörende Empfehlungen für eine inklusive Erwachsenenbildung entwickelt. Sie stecken den Rahmen eines Entwicklungsprozesses ab, der schrittweise mittels der Bereitstellung der benötigten Ressourcen umzusetzen ist. Der Schwerpunkt in diesem Teilbereich liegt bei der deutlichen Erhöhung der Bildungsmöglichkeiten für erwachsene Menschen mit Behinderungen. Der im Frühjahr dieses Jahres vorgestellte Maßnahmenplan 2.0 der Thüringer Landesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sieht als ein übergeordnetes Ziel vor, die Übergänge zwischen den Bildungswegen und zum Arbeitsleben für Menschen mit Behinderungen individueller und bedarfsgerechter zu gestalten. In diesem Zuge ist vorgesehen, auch die Angebote der Erwachsenenbildung für Menschen mit Behinderungen auszubauen. In der Arbeitsgruppe 9 "Frauen mit Behinderungen" zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und Fortschreibung des Maßnahmenplans, wurde folgende Maßnahme (Nr. IX. 1) beschlossen: 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7835 "Initiierung und Begleitung von Weiterbildungsveranstaltungen zur Qualifizierung der Frauenbeauftragten durch die Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen im Freistaat Thüringen e. V. Die Gleichstellungsbeauftragte bringt dabei mögliche Kooperationspartner miteinander ins Gespräch, stärkt die Frauenbeauftragten in ihrem Selbstverständnis und ermutigt sie zur aktiven Ausgestaltung ihrer Rolle." Gemäß den Vorgaben des Maßnahmenplans ist die Umsetzung dieses Vorhabens bis Ende 2019 vorgesehen. Über das Bundesteilhabegesetz (BTHG) ist die Funktion der Frauenbeauftragten in Werkstätten für behinderte Menschen neu eingeführt worden. Den im Herbst 2017 gewählten Frauenbeauftragten in den 31 Thüringer Werkstätten für behinderte Menschen sind daher Bildungsangebote zu unterbreiten, um ihre Rolle verstehen und die übertragenen Aufgaben wahrnehmen zu können. Nach Kenntnis des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie werden entsprechende Schulungen in Thüringen durch folgende Bildungsträger angeboten: • Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Landesverband Thüringen e.V. • Südthüringer Bildungszentrum in Kloster Veßra Hier haben bereits zahlreiche Frauenbeauftragte eine grundlegende Schulung erhalten. Auch im Bereich der Thüringer Hochschulen werden verstärkt Anstrengungen unternommen, damit die zahlreichen Bildungsangebote auch von Menschen mit Beeinträchtigungen genutzt werden können. Hier müssen gegebenenfalls noch bestehende Barrieren für diese Menschen abgebaut werden. In Thüringen sind die Hochschulen deshalb bestrebt, diese Barrieren Schritt für Schritt abzubauen, damit der Anspruch aus Artikel 24 Abs. 5 der UN-Behindertenrechtskonvention, wonach unter anderem die Vertragsstaaten sicherzustellen haben, dass Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen haben, auch an Thüringer Hochschulen umgesetzt wird. Als sichtbares Zeichen dieses Bestrebens sind die neu erstellten Maßnahmenpläne zur Umsetzung der UN- Behindertenrechtskonvention der Thüringer Hochschulen zu werten. Folgende Einzelmaßnahmen sind bei nahezu allen Thüringer Hochschulen zu finden: • Prüfung von Nachteilsausgleich- und Härtefallregelungen beim Hochschulzugang • Schulung und Weiterbildung von Mitarbeitenden und Führungskräften in Bezug auf Inklusion • Überprüfung der Möglichkeiten zur Verbesserung der Barrierefreiheit der technischen und baulichen Infrastruktur • Berücksichtigung der Belange von Studierenden mit Behinderungen in der Studienberatung • Anpassung von Lehre und Lehrmaterialien an die Belange von Studierenden mit Behinderungen • Erstellung von Leitfäden, Broschüren und Formularen zum Thema "Inklusion" Bei den Maßnahmen zur barrierefreien baulichen Infrastruktur sind neben kleineren Maßnahmen - wie der Ausgestaltung von Orientierungs- und Leitsystemen, der Verbesserung der Beleuchtung, der Anbringung von Markierungen, der Aktualisierung von Campusplänen, der Kennzeichnung von Schwerbehinderten- Parkplätzen et cetera - auch größere Maßnahmen von erheblichem Umfang zu nennen, welche Eingriffe in die bauliche Substanz erfordern - zum Beispiel Aufzugsanlagen, Hublift-Anlagen, stufenlose Flure, behindertengerechte Verkehrsflächen und Seminarräume, automatische Türöffnungen, bodengebundenes Blindenleitsystem, Schaffung von barrierefreien Toilettenanlagen. Diese Maßnahmen stellen einige Hochschulen mit ihren denkmalgeschützten Einrichtungen vor große Herausforderungen. Für die technische Infrastruktur sind Maßnahmen wie barrierefreie Formulare, PDF-Dokumente, Leitfäden und Internetseiten relativ zügig umsetzbar. Darüber hinaus sind Maßnahmen wie Fortbildungen für Führungskräfte, Lehrende und Beschäftigte sowie die Berücksichtigung der Belange von Studierenden mit Beeinträchtigungen in der Studienberatung zeitnah zu realisieren. Nach Umsetzung dieser Maßnahmen dürfte es möglich sein, einer Vielzahl von Menschen mit Beeinträchtigungen ein umfassendes Angebot an Bildungsmöglichkeiten an Thüringer Hochschulen anzubieten. Ich verweise zudem auf die Antwort zu Frage 1. Zu 5.: In den im Dezember 2017 veröffentlichten Leitlinien für eine inklusive Erwachsenenbildung werden unter anderem Empfehlungen für die Partizipation von Menschen mit Behinderungen ausgesprochen. Die Leh- 5 Drucksache 6/7835Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode renden und (potenziell) Lernenden sowie andere Experten mit einer Beeinträchtigung sind bei der inklusiven Gestaltung des Lehr- und Lernprozesses beteiligt: • Den Bedürfnissen der Menschen mit Beeinträchtigungen wird mit Offenheit begegnet. Konkrete Bedarfsfälle werden genutzt, um Perspektivwechsel herbeizuführen und weitere Angebote zu entwickeln. • Menschen mit Beeinträchtigungen werden als Bereicherung im Team wahrgenommen und wertgeschätzt. • Lernende und Lehrende mit Beeinträchtigungen werden mit ihrem Expertenwissen für die Entwicklung inklusiver Bildungsangebote wertgeschätzt. • Es findet ein Austausch von Beispielen guter Praxis statt. Die Erkenntnisse und Erfahrungen, das positive Erleben für Lernende und Beschäftigte werden miteinander geteilt und weitergegeben. • Menschen mit Beeinträchtigungen werden bei der selbstbestimmten Auswahl von Bildungsangeboten und deren Nutzung unterstützt. • Es werden Kooperationen mit Trägern auf dem Gebiet der Inklusion, zum Beispiel Lebenshilfe, Behindertenbeirat , Behindertenbeauftragte, Selbsthilfegruppen gestaltet. • Im Rahmen der Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Kräften werden diese für inklusiv gestaltete Bildungsangebote sensibilisiert. Dazu werden Kontakte zu Multiplikatoren und Schlüsselpersonen aufgebaut . Die Umsetzung der Leitlinien erfolgt in den anerkannten Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Werner Ministerin Anlage* Endnote: * Auf den Abdruck der Anlage wurde verzichtet. Ein Exemplar der Antwort der Landesregierung mit Anlage erhielten jeweils vorab die Fragestellerin und die Fraktionen. In der Landtagsbibliothek liegt diese Drucksache mit Anlage zur Einsichtnahme bereit. Des Weiteren kann sie unter der oben genannten Drucksachennummer im Abgeordneteninformationssystem sowie im Internet unter der Adresse: www.parldok.thueringen.de eingesehen werden. 1/4 www.thueringen.de Stand: Dezember 2017 Leitlinien für eine inklusive Erwachsenenbildung Unter dem Begriff Inklusion hat die UN-Behindertenrechtskonvention eine gesellschaftliche und politische Bewusstseinsänderung zum Thema Menschenrechte in Gang gesetzt. Zunehmend greift die Erkenntnis um sich, dass die Forderung nach Teilhabe nicht nur alle Lebensbereiche umfasst, sondern eine konkrete Umsetzung auch zu gesamtgesellschaftlicher Bereicherung führt. „Bildung für alle“, „Entfaltung individueller Potenziale“ oder „Vielfalt des Lernens“ sind wesentliche Anliegen der Konvention und decken sich mit traditionellen Werten der Erwachsenenbildung. Es liegt daher nahe, ausgehend von den teilnehmerorientierten Möglichkeiten der Erwachsenenbildung konkrete Ziele zu formulieren, welche die Zugänglichkeit der lebensbegleitenden Bildungsangebote in den Blick nehmen. Daneben gilt es, auch die bewusstseinsbildende Dimension des Inklusionsgedankens aufzugreifen und die Etablierung inklusiver Sichtweisen und Haltungen voranzutreiben. Aus der Perspektive der Bildungsträger ergeben sich hierfür Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der eigenen Institution, aber auch die Chance, darüber hinaus wirksam zu werden. Innerhalb der eigenen Strukturen wird Inklusion zum selbstverständlichen Bestandteil der Organisationskultur und erweitert die „sozialen Kompetenzen“ des gesamten Unternehmens. Ein universelles Veranstaltungsmanagement berücksichtigt Inklusionsgesichtspunkte nicht nur bei Ausschreibung und Dokumentation, sondern auch bei Strategie und Planung. Nach außen wirkt inklusive Erwachsenenbildung zum einen durch Angebote, die das Thema Inklusion direkt inhaltlich aufgreifen und somit Einfluss auf gesamtgesellschaftliche Prozesse nehmen. Zum anderen entfalten inklusive Bildungsträger eine Außenwirkung, indem sie mit der Ausrichtung an Leitlinien wie vorurteilsfreie Begegnung, Austausch und Diversität beispielgebend für andere gesellschaftliche Bereiche sein können. Die im Folgenden formulierten Leitlinien orientieren sich an den verschiedenen Aspekten der Barrierefreiheit. Dabei muss jedoch im Blick behalten werden, dass Inklusion eine gesamtgesellschaftliche und politische Aufgabe darstellt. Daher stellen die angeführten Leitlinien in der Summe nicht nur eine Herausforderung für die Träger der Erwachsenenbildung dar, sondern letztlich auch für die Entscheidungsträger auf allen gesellschaftlichen und politischen Ebenen im privaten und öffentlichen Sektor. Die Leitlinien stecken den Rahmen eines Entwicklungsprozesses ab, der Schritt für Schritt umzusetzen ist. Die Erwachsenenbildung wird ihren Teil dazu beitragen, dass Inklusion in Haltung, Denken und Handeln den ihr innewohnenden gesellschaftlichen Mehrwert entfaltet. Anlage 2/4 1. Leitlinie: Querschnittsthema Die inklusive Bildung ist ein wichtiges Querschnittsthema in den Einrichtungen der Erwachsenenbildung. Für die Umsetzung werden folgende Empfehlungen ausgesprochen: Die Idee der Inklusion ist handlungsleitend für den Arbeitsalltag der Mitarbeitenden in allen Bereichen und ist im Qualitätsmanagement verankert. Es erfolgt eine Einbindung der Mitarbeitenden mit verschiedensten Beeinträchtigungen durch regelmäßige Austauschforen zu Fragen der Inklusion (Einzelfallentscheidungen, Fallbeispiele). Die Lehr-/Lernbedingungen tragen der Vielfalt der am Lehr-/Lernprozess Beteiligten Rechnung. Die Mitarbeitenden setzen sich mit den individuellen, institutionellen und gesellschaftlichen Ursachen von Exklusion auseinander und entwickeln, ggf. in Kooperation mit Dritten Inklusionsmaßnahmen für ihre Einrichtung bzw. das System der Erwachsenenbildung insgesamt. 2. Leitlinie: Mitarbeitende (Hauptamtliche, Frei- und nebenberufliche, Ehrenamtliche, pädagogisches, technisches und Verwaltungspersonal) Die Mitarbeitenden bilden sich kontinuierlich zu den verschiedenen Aspekten der Inklusionsthematik weiter, reflektieren ihr eigenes Verhalten im Umgang mit einer inklusiven Bildungsarbeit und leisten ihren Beitrag dazu, den Gedanken der Inklusion im institutionellen Handeln ihrer Einrichtung mit Leben zu erfüllen. Für die Umsetzung werden folgende Empfehlungen ausgesprochen: Die Mitarbeitenden nehmen die Unterschiedlichkeit der Bedürfnisse der Lernenden und den damit verbundenen Unterstützungsbedarf wahr. Die Mitarbeitenden sind in der Lage, auf besondere Anforderungen von Lernenden adäquat zu reagieren, indem sie selbst Hilfs- und/oder Unterstützungsangebote offerieren bzw. an Personen verweisen, die den Lernenden weiterhelfen können. Die Mitarbeitenden arbeiten kontinuierlich an ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigungen, z. B. durch Weiterbildung und Fortbildung. Die Mitarbeitenden reflektieren regelmäßig in dafür vorgesehen Formaten über ihre eigenen Erfahrungen mit inklusiven Lehr- und Lernangeboten und tauschen sich zu anderen Themen der Inklusion in ihrer Einrichtung aus. Die Mitarbeitenden nutzen die Ergebnisse der Evaluation der Bildungsangebote und die Erkenntnisse aus den Rückmeldungen von Lehr- und Lernenden zur kontinuierlichen Optimierung der Schlüsselprozesse der Bildungsarbeit hinsichtlich der Umsetzung des Inklusionsziels. Eine Abstimmung zwischen den verschiedenen Gruppen der Beschäftigten und Lernenden mit und ohne Beeinträchtigung bzgl. Planung, Gestaltung, Organisation, Durchführung und Evaluation der Bildungsangebote findet statt. 3/4 3. Leitlinie: Gestaltung des Bildungsangebotes Das Bildungsangebot ist inklusiv gestaltet. Für die Umsetzung werden folgende Empfehlungen ausgesprochen: Neben der Bedarfsermittlung der Bildungsinhalte werden auch Rahmenbedingungen wie Zugang, Formate, Bildungsorte berücksichtigt. Die Möglichkeiten des Lernens am anderen Ort werden für inklusive Lernangebote genutzt. An geeigneter Stelle des Bildungsangebotes der Einrichtung ist beschrieben, dass Menschen mit Beeinträchtigungen, Migranten u.a. willkommen sind (ggf. mit Begleitperson). Alle Texte sind in verständlicher Sprache formuliert bzw. bei Bedarf in Leichter Sprache. Die Texte berücksichtigen angemessene Schriftgrößen/Schriftarten, Kontrastdruck, (einheitliche) Piktogramme, etc. Mit den Anmeldeformalitäten wird ein Unterstützungsbedarf der Teilnehmenden erfragt. Die Einrichtung beschreibt die vorhandenen Unterstützungsangebote (z. B. Assistenz, Hilfsmittel, Lernmaterialien in einfacher Sprache,…). Das Bildungsangebot beschreibt Lernvoraussetzungen, ggf. mögliche Einschränkungen/Begrenzungen. Für das Bildungsangebot gibt es verschiedene Darstellungsmöglichkeiten (Kursprogramm, Internet, Flyer,…). Alle orientieren sich an einer inklusiven Gestaltung. 4. Leitlinie: Partizipation Die Lehrenden und (potenziell) Lernenden sowie andere Experten mit einer Beeinträchtigung sind bei der inklusiven Gestaltung des Lehr- und Lernprozesses beteiligt. Für die Umsetzung werden folgende Empfehlungen ausgesprochen: Den Bedürfnissen der Menschen mit Beeinträchtigungen wird mit Offenheit begegnet. Konkrete Bedarfsfälle werden genutzt, um Perspektivwechsel herbeizuführen und weitere Angebote zu entwickeln. Menschen mit Beeinträchtigungen werden als Bereicherung im Team wahrgenommen und wertgeschätzt. Lernende und Lehrende mit Beeinträchtigungen werden mit ihrem Expertenwissen für die Entwicklung inklusiver Bildungsangebote wertgeschätzt. Es findet ein Austausch von Beispielen guter Praxis statt. Die Erkenntnisse und Erfahrungen, das positive Erleben für Lernende und Beschäftigte werden miteinander geteilt und weiter gegeben. Menschen mit Beeinträchtigungen werden bei der selbstbestimmten Auswahl von Bildungsangeboten und deren Nutzung unterstützt. Es werden Kooperationen mit Trägern auf dem Gebiet der Inklusion, z. B. Lebenshilfe, Behindertenbeirat, Behindertenbeauftragte, Selbsthilfegruppen gestaltet. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Kräften werden diese für inklusiv gestaltete Bildungsangebote sensibilisiert. Dazu werden Kontakte zu Multiplikatoren und Schlüsselpersonen aufgebaut. 4/4 5. Leitlinie: Öffentlichkeitsarbeit Die Öffentlichkeitsarbeit der Erwachsenenbildungseinrichtungen orientiert sich am Bedarf aller Menschen und trägt ihrer Vielfalt Rechnung. Für die Umsetzung werden folgende Empfehlungen ausgesprochen: Es werden zielgruppenorientierte passgenaue Angebote unterbreitet und die Rahmenbedingungen bezüglich der Barrierefreiheit mit dem Ziel der Ermutigung zur Teilnahme benannt. Die Internetseite/Werbematerialien/Formulare/Ausschreibungen sind barrierefrei. Die Texte werden möglichst kurzgehalten und enthalten entsprechend der Zielgruppe angemessene Textformulierungen. Die möglichen Unterstützungen sind im ausgeschriebenen Bildungsangebot sichtbar. Es erfolgt eine Sensibilisierung der Gesellschaft für Fragen der Inklusion durch Veranstaltungen zum Thema Inklusion und die Bildung von Netzwerken. 6. Leitlinie: Gebäude/Räumlichkeiten/Ausstattung Die Zugänge zur Einrichtung, deren Räumlichkeiten sowie die Ausstattung sind an den Anforderungen der Menschen mit Beeinträchtigungen/Unterstützungsbedarf ausgerichtet. Für die Umsetzung werden folgende Empfehlungen ausgesprochen: Die Wegbeschreibung zur Einrichtung ist in einfacher Sprache mit grafischen Hilfsmitteln wie Karte/Skizze und Foto vom Gebäude erstellt. Die Einrichtung informiert im Bildungsangebot über die baulichen Gegebenheiten (z.B. Lift, Behindertenparkplätze,…). Die Einrichtung berücksichtigt bei Beschilderungen den Inklusionsgedanken (Kontraste, große Schrift, Hindernisse kennzeichnen,…). Investitionen und Überlegungen zur Anmietung von Räumen berücksichtigen die Aspekte der Barrierefreiheit. 7. Leitlinie: Notwendige Unterstützung Die Einrichtungen werden bei der Umsetzung von inklusiven Bildungsangeboten durch die Bereitstellung von Ressourcen und geeigneter Infrastruktur unterstützt. Für die Umsetzung werden folgende Empfehlungen ausgesprochen: Es werden zusätzliche öffentliche Mittel für eine inklusive Erwachsenenbildung zur Verfügung gestellt. Es ist ein Projektfonds für Träger und Einrichtungen zur Realisierung von Projekten, z.B. zur Entwicklung innovativer Bildungsangebote, Weiterbildung der Mitarbeitenden, bauliche Maßnahmen etc. vorhanden. Es wird eine Servicestelle für sämtliche Einrichtungen der Erwachsenenbildung zur Unterstützung übergreifender Aufgaben einer inklusiven Erwachsenenbildung eingerichtet. Es werden ausreichende Ressourcen zur Evaluation der Umsetzung der inklusiven Erwachsenenbildung zur Verfügung gestellt. Fort- und Weiterbildungen für Menschen mit Behinderungen Ich frage die Landesregierung: Vorbemerkung: Zu 1.: Zu 2. und 4.: Zu 3.: Zu 5.: Endnote: Leitlinien für eine inklusive Erwachsenenbildung 1. Leitlinie: Querschnittsthema 2. Leitlinie: Mitarbeitende (Hauptamtliche, Frei- und nebenberufliche, Ehrenamtliche, pädagogisches, technisches und Verwaltungspersonal) 3. Leitlinie: Gestaltung des Bildungsangebotes 4. Leitlinie: Partizipation 5. Leitlinie: Öffentlichkeitsarbeit 6. Leitlinie: Gebäude/Räumlichkeiten/Ausstattung 7. Leitlinie: Notwendige Unterstützung