23.10.2019 Drucksache 6/7875Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 7. November 2019 Rechtsrock-Veranstaltungen in Eisenach und Kirchheim Die Kleine Anfrage 4091 vom 23. August 2019 hat folgenden Wortlaut: Wie den regionalen Zeitungen zu entnehmen war, wurde am 20. Juli 2019 in Eisenach ein Rechtsrock-Konzert im "Flieder-Volkshaus" aufgelöst. Der Grund für diese Maßnahme war laut Zeitungsberichten, dass es sich bei diesem Konzert um eine kommerzielle Veranstaltung handelte, die nicht angemeldet worden war. Der Veranstalter seinerseits hatte angegeben, dass es sich um eine private Veranstaltung, eine Geburtstagsveranstaltung , handelte. Die Besucherinnen und Besucher dieses Konzertes hatten Eintrittskarten, es gab Werbung (Flyer) im Internet. Am 25. Mai 2019 wurde ein nicht angemeldetes Rechtsrock-Konzert aus der Konzertreihe der "The Skins are back in town"-Veranstaltungen im "Veranstaltungszentrum Erfurter Kreuz" in Kirchheim durchgeführt. Die angereisten rechtsextremen Konzertbesucherinnen und -besucher kamen aus ganz Deutschland und hatten Eintrittskarten dabei. Des Weiteren kursierte Werbung (Konzertflyer) für diese Veranstaltung im Internet . Dieses nicht angemeldete Rechtsrock-Konzert wurde nicht aufgelöst. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung über die Teilnehmenden der in Eisenach und Kirchheim organisierten Veranstaltungen vor (Nennung der Anzahl, der Anreiseorte und Szenen-/Gruppenzugehörigkeiten der Teilnehmenden wird erbeten)? 2. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die Eintrittskarten (Nennung der Preise und Anzahl der verkauften Eintrittskarten wird erbeten)? 3. Welche allgemeinen Kriterien werden bei der Einschätzung nach dem Veranstaltungscharakter angenommen , ob es sich um ein anmeldepflichtiges kommerzielles Rechtsrock-Konzert oder ein nicht anmeldepflichtiges privates Konzert handelt? 4. Welche Kriterien für die Annahme, es sei eine nicht angemeldete kommerzielle Veranstaltung (Auflösungsgrund ), trafen auf das Rechtsrock-Konzert am 20. Juli 2019 in Eisenach zu (Nennung der zugrunde gelegten Kriterien wird erbeten)? 5. Welche Kriterien für die Annahme, es sei keine kommerzielle Veranstaltung, trafen auf das Skinhead- Rechtsrock-Konzert am 25. Mai 2019 in Kirchheim zu (Nennung der zugrunde gelegten Kriterien wird erbeten)? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Henfling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7875 Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 21. Oktober 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: An der rechtsextremistischen Musikveranstaltung am 20. Juli 2019 in Eisenach nahmen 72 Personen teil. Die Teilnehmer kamen aus Bayern (Landkreise Aschaffenburg, Coburg, Kronach, Lichtenfels, Stadt Ingolstadt ), Brandenburg (Landkreise Barnim, Cottbus, Oberhavel), Berlin, Hansestadt Bremen, Hessen (Landkreise Hanau, Wetterau), Niedersachsen (Landkreis Diepholz), Rheinland-Pfalz (Landkreis Ahrweiler), Sachsen (Landkreise Glauchau, Leipzig, Zwickau), Sachsen-Anhalt (Saalekreis, Wittenberg, Stadt Halle) sowie Thüringen (Stadt Eisenach, Landkreise Gotha, llm-Kreis, Sonneberg). Der Teilnehmerkreis setzte sich aus NPD-Mitgliedern, Angehörigen der Freien Kräfte sowie dem subkulturellen Spektrum zusammen. An der rechtsextremistischen Musikveranstaltung am 25. Mai 2019 in Kirchheim nahmen etwa 260 Personen teil. Diese kamen aus Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Thüringen, Österreich und der Schweiz. Die Teilnehmer können der Hammerskinszene und der ehemaligen "Blood & Honour -Szene" zugeordnet werden. Zu 2.: Hinsichtlich der Eintrittspreise liegen zu beiden Veranstaltungen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Nach unbestätigten Informationen zahlten die Teilnehmer für die Veranstaltung in Kirchheim je "Eintrittskarte" 25 Euro. Bezüglich der Veranstaltung in Eisenach wurde bereits im Vorfeld, nach Verlegung des Veranstaltungsortes von Kloster Veßra nach Eisenach, seitens der Veranstalter darauf hingewiesen, dass aufgrund der begrenzten Platzkapazität nunmehr keine Karten mehr erhältlich seien und man ohne Besitz einer Karte nicht anreisen brauche. Eintrittskarten für die Veranstaltung konnten im Vorfeld über eine E-Mail-Adresse bezogen werden. Es wurde betont, dass ein Eintritt nur mit Karte möglich sei und die Tickets als Unterstützerkarten zur Kostendeckung der Veranstaltung dienen. Zu den insgesamt verkauften Eintrittskarten in Eisenach beziehungsweise in Kirchheim liegen keine Erkenntnisse vor. Im Übrigen wird auf die in Antwort zu Frage 1 genannten Teilnehmerzahlen verwiesen. Zu 3.: Ob es sich bei einer Vergnügung um eine öffentliche und damit anzeigepflichtige oder gegebenenfalls darüber hinaus genehmigungspflichtige Veranstaltung handelt, bestimmt sich nach § 42 des Thüringer Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz - OBG -). Für öffentliche Vergnügungen besteht für den Veranstalter gemäß § 42 Abs. 1 OBG eine Pflicht zur schriftlichen Anzeige bei der zuständigen Ordnungsbehörde spätestens eine Woche vor Veranstaltungstermin. Bei der Abgrenzung, ob eine Konzertveranstaltung als öffentlich und damit anzeigepflichtig oder als nichtöffentlich (privat) einzustufen ist, kommt es darauf an, ob die Veranstaltung einen individuell abgrenzbaren Teilnehmerkreis erfasst oder nicht. Von einer öffentlichen Veranstaltung ist auszugehen, wenn der Zutritt grundsätzlich jedermann gestattet ist und die Teilnehmer nicht auf einen bestimmten, durch gegenseitige Beziehungen zum Veranstalter persönlich verbundenen Personenkreis beschränkt ist. Unter Hinzuziehung des versammlungsrechtlichen Begriffes der Öffentlichkeit spielen hierbei monetäre Aspekte grundsätzlich keine Rolle. Liegt ein geschlossener, individuell abgrenzbarer Teilnehmerkreis vor, ist von einer nichtöffentlichen Veranstaltung auszugehen. Es kommt somit auf die Umstände des Einzelfalles an, insbesondere die Art der Einladung zu der Veranstaltung. Erfolgt beispielsweise eine Einladung per Internet und ist diese an eine unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtet, spricht viel für die Einordnung als eine öffentliche Vergnügung . Gegen die Annahme einer geschlossenen Veranstaltung spräche zudem, wenn der Veranstalter auf Nachfrage nicht in der Lage wäre anzugeben, um welche Personen es sich bei den Teilnehmenden der Veranstaltung handelt. Geht die erforderliche Anzeige für eine öffentliche Vergnügungsveranstaltung nicht fristgerecht ein, genügt sie nicht den Formerfordernissen oder unterbleibt sie ganz, wird die Veranstaltung nach § 42 Abs. 3 OBG erlaubnispflichtig. Die Erlaubnis ist nach § 42 Abs. 4 OBG zu versagen, wenn es zur Abwehr einer Gefahr 3 Drucksache 6/7875Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich erscheint oder andere öffentlich-rechtliche Vorschriften , wie beispielsweise Vorschriften des Baurechts, Feiertagsrechts, Immissionsschutzrechts, Jugendschutzrechts oder Gaststättenrechts, entgegenstehen. § 42 Abs. 5 OBG eröffnet den Ordnungsbehörden daneben die Möglichkeit, zur Gefahrenabwehr entweder Auflagen für eine sichere Durchführung zu erteilen (Satz 1) oder die Veranstaltung vollständig oder teilweise zu versagen (Satz 2). Dies gilt im Gegensatz zu § 42 Abs. 4 OBG auch für nichtöffentliche (private ) Veranstaltungen. Der Erlass einer solchen Anordnung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Zu beachten ist hierbei, dass unabhängig davon, ob von der Veranstaltung selbst bereits Gefahren ausgehen , schon die Durchführung einer öffentlichen Vergnügung nach § 42 OBG und das Fehlen einer erforderlichen Anzeige oder Erlaubnis für diese Veranstaltung eine Ordnungswidrigkeit nach § 48 Nr. 6 OBG darstellt und somit eine Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 42 Abs. 5 OBG gegeben ist. Eine solche Veranstaltung ist demgemäß regelmäßig zu untersagen, es sei denn, es wäre im Zeitpunkt der Behördenentscheidung offensichtlich, dass die zur Versagung der Erlaubnis führenden Gründe nach § 42 Abs. 4 Satz 1 OBG nicht vorliegen können. Eine tiefgründige Prüfung nach § 42 Abs. 4 OBG ist im Zeitpunkt der Durchführung einer nicht angezeigten und nicht erlaubten Vergnügung nicht zu verlangen. Ansonsten verlöre die Erlaubnispflicht weitgehend ihre Ordnungsfunktion und Veranstalter könnten es darauf ankommen lassen und müssten bei einer fehlenden Anzeige eine Untersagung nicht befürchten. Bei Vorliegen spezieller oder landesrechtlicher Vorschriften ist das Subsidiaritätsprinzip nach § 42 Abs. 6 OBG in jedem Fall zu beachten. Gefahrenabwehrende Anordnungen können auch durch die Polizei im Rahmen der Eilzuständigkeit gemäß § 12 Abs. 1 Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei (Polizeiaufgabengesetz - PAG -) in Verbindung mit § 3 PAG vorgenommen werden. Zu 4.: Der Veranstaltungsort "Flieder-Volkshaus" in Eisenach ist nur für die Durchführung von bestimmten Veranstaltungstypen bis maximal 100 Personen baurechtlich zugelassen. Die Musikveranstaltung ("Geburtstagssause ") erfüllte weder die baurechtlichen Voraussetzungen noch handelte es sich um eine Veranstaltung im Sinne von § 42 Abs. 2 OBG. Soweit die Musikveranstaltung als (nicht öffentliche) "Privatfeier" deklariert und ursprünglich in Kloster Veßra geplant war, war dies nach Art und Weise der öffentlichen Werbung für einen offenen Teilnehmerkreis in den sozialen Medien offensichtlich vorgeschoben. Eine frist- und formgerechte Veranstaltungsanzeige des tatsächlichen Veranstalters im Sinne des § 42 Abs. 1 OBG lag nicht vor. Die im Rahmen der Eilzuständigkeit zuständige Polizei kam im Rahmen ihrer Prüfungsmaßnahmen aufgrund des Ablaufs vor Ort zu dem Ergebnis, dass die Veranstaltung als - ungenehmigte - öffentliche Vergnügung einzustufen war. So wurde unter anderem eine der Polizei übergebene Teilnehmerliste mit 59 Namen erst am Eingang zum "Flieder-Volkshaus" durch die angereisten Teilnehmer selbst ausgefüllt. Auch die vorgenannte öffentliche Bewerbung bestätigt den Charakter als öffentliche Vergnügung. Auf die Ausführungen in der Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Zu 5.: Das Veranstaltungsobjekt in Kirchheim ist für die Durchführung von Veranstaltungen bis zu 250 Personen (einschließlich Bandmitglieder und Organisationspersonal) baurechtlich zugelassen. Eine offizielle Veranstaltungsanzeige im Sinne des § 42 Abs. 1 OBG lag ebenfalls nicht vor. Im Rahmen der polizeilichen Kontrolltätigkeit wurden bei den Teilnehmern "Eintrittskarten" festgestellt, welche den Hinweis auf eine "geschlossene Veranstaltung" und "Einlass nur mit Eintrittskarte" aufwiesen. Insoweit konnte nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um persönliche Einladungen handelte. Im Ergebnis der Prüfungshandlungen vor Ort konnte der öffentliche Charakter der Veranstaltung nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Auf die Ausführungen in der Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Maier Minister Rechtsrock-Veranstaltungen in Eisenach und Kirchheim Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: