08.11.2019 Drucksache 6/7892Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 21. November 2019 Förderung ehrenamtlichen Engagements von Menschen mit Behinderungen Die Kleine Anfrage 4119 vom 13. September 2019 hat folgenden Wortlaut: Nach Artikel 2 Abs. 4 Satz 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen sind das Land und seine Gebietskörperschaften in der Pflicht, die gleichwertige Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft von Menschen mit Behinderungen zu fördern. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit die Landesregierung Menschen mit Behinderungen unterstützt, ehrenamtlich tätig zu werden. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Menschen mit Behinderungen sind nach Kenntnis der Landesregierung in Thüringen ehrenamtlich tätig (bitte im Zeitraum von 2012 bis 2019 nach Jahren aufschlüsseln)? 2. Welche Formen der Unterstützung für ehrenamtlich tätige Menschen mit Behinderungen in Thüringen bestehen? 3. Welche Mittel wurden zur Unterstützung ehrenamtlich tätiger Menschen mit Behinderungen abgerufen? 4. Wie unterstützt die Landesregierung die Selbstvertretungen von Menschen mit Behinderungen in Thüringen ? Welche Mittel sind tatsächlich abgeflossen? 5. Wie unterstützt die Landesregierung die Werkstatträte in den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen ? Welche Mittel sind tatsächlich abgeflossen? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 7. November 2019 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Hierzu liegen der Landesregierung keine statistischen Angaben vor. Zu 2.: Alle Strukturen zur Unterstützung der ehrenamtlichen Arbeit stehen Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen zur Verfügung. Die Angebote der Thüringer Ehrenamtsstiftung, der Ehrenamtsagenturen in Thüringen und der Ehrenamtskoordinatoren der Landkreise und kreisfreien Städte sowie die (Wohlfahrts-) verbandlichen Strukturen haben sich für diese Zwecke bewährt. K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Meißner (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/7892 Die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeiten gehört zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Dies verdeutlicht § 11 Abs. 2 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) wonach die aktive Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auch ein gesellschaftliches Engagement umfasst. Damit kann die Übernahme der Kosten für eine Assistenz zur Unterstützung bei der Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Betracht kommen. Zuständig ist der Träger der Sozialhilfe (§ 97 SGB XII). Die Leistungen der Eingliederungshilfe sind einkommens- und vermögensabhängig. Das heißt, diese Leistungen werden nur erbracht, soweit der nachfragenden Person die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten ist (im Einzelnen SGB XII, Elftes Kapitel). Für die Ausführungen der Leistungen der Eingliederungshilfe sind die Landkreise und kreisfreien Städte als örtliche Träger der Sozialhilfe zuständig. Diese erbringen die Leistungen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung, das heißt im eigenen Wirkungskreis. Im Rahmen der Selbstverwaltung beschränkt sich die staatliche Aufsicht auf die Rechtsaufsicht (§ 117 Abs. 1 Thüringer Kommunalordnung -ThürKO-), das heißt, es wird nicht - wie bei der Fachaufsicht - Umfang und Zweckmäßigkeit der Entscheidungen geprüft. Die staatliche Kontrolle beschränkt sich lediglich auf die Rechtmäßigkeit des Handelns. Im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung kann zum Beispiel die Einhaltung der Verbands- und Organkompetenz, die Verfahrensanforderungen, die Anwendung der richtigen Ermächtigungsgrundlage beziehungsweise die fehlerfreie Ermessensausübung überprüft werden. Die Rechtsaufsicht in Bezug auf die Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch wird im Rahmen der Kommunalaufsicht und somit nicht in Zuständigkeit des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie wahrgenommen. Gemäß § 118 Abs. 2 ThürKO wird die Rechtsaufsicht für die kreisfreien Städte und die Landkreise durch das Landesverwaltungsamt als obere Rechtsaufsichtsbehörde wahrgenommen. Oberste Rechtsaufsichtsbehörde ist gemäß § 118 Abs. 3 ThürKO das für das Kommunalrecht zuständige Ministerium, das heißt das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales. Mit dem Bundesteilhabegesetz hat der Bundesgesetzgeber mit § 78 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) den neuen Leistungstatbestand der Assistenzleistungen zur Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in der Sozialen Teilhabe eingeführt, der für alle Rehabilitationsträger gilt und zum 1. Januar 2018 in Kraft getreten ist. Nicht damit verbunden sind nach der Gesetzesbegründung neue Leistungen. Mit der neuen Regelung in § 78 Abs. 5 SGB IX wird klargestellt, dass auch Menschen mit Behinderungen dabei unterstützt werden, ein Ehrenamt auszuüben. Satz 1 regelt, dass Aufwendungen für eine notwendige Unterstützung grundsätzlich zu erstatten sind. Dies soll jedoch vorrangig durch Personen aus dem familiären , freundschaftlichen und nachbarschaftlichen Umfeld oder durch Personen, die in einer ähnlichen persönlichen Beziehung zu dem Leistungsberechtigten stehen, erfolgen. Dabei hat sich der Gesetzgeber von der Absicht leiten lassen, das ehrenamtliche Engagement von Menschen mit einer Behinderung dadurch in besonderer Weise zu würdigen, dass in Bedarfsfällen Sozialleistungen in angemessenem Umfang zu dessen Unterstützung bereitgestellt werden, ohne dabei die Ausübung eines Ehrenamts mit einer selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Bewältigung des Alltags gleichzusetzen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lässt sich noch nicht abschätzen, welche Auswirkungen die gesetzliche Klarstellung in § 78 SGB IX in der Praxis haben wird. Zu 3.: Hierzu liegen der Landesregierung keine statistischen Angaben vor. Zu 4.: Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie fördert seit dem 1. Oktober 2018 die LIGA der politischen Interessen- und Selbstvertretung von Menschen mit Behinderungen in Thüringen e. V. (kurz: LIGA Selbstvertretung Thüringen e. V.). Der Freistaat Thüringen hat in § 7 des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch die LIGA Selbstvertretung Thüringen e. V. als maßgeblichen Interessenvertreter des Landes nach § 131 Abs. 2 SGB IX bestimmt. 3 Drucksache 6/7892Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Die LIGA Selbstvertretung Thüringen e. V. versteht sich als Dachverband der politischen Interessenvertretung der Selbstvertretungs-Organisationen von Menschen mit Behinderungen in Thüringen. In den Verband sind bereits 25 Mitgliedsorganisationen/Einzelvertreter*innen eingetreten, welche die verschiedenen Interessen- und Selbstvertretungen von Menschen mit Behinderungen vertreten. Für das Haushaltsjahr 2018 sind Fördermittel in Höhe von 14.512,30 Euro tatsächlich abgeflossen. Im Haushaltsjahr 2019 wurden bis zum 24. September 2019 Mittel in Höhe von 168.645,40 Euro abgerufen. Zu 5.: Die am 29. Dezember 2016 in Kraft getretene Novellierung der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung enthält im § 39 eine Neuregelung zur Finanzierung der überörtlichen Interessenvertretungen der Werkstatträte auf Bundes- und Landesebene. Die Kosten für diese Aufgaben haben seitdem die Werkstätten für behinderte Menschen zu tragen. Diese haben ihrerseits gegenüber den für die Leistungen im Arbeitsbereich zuständigen Leistungsträgern einen Anspruch auf Refinanzierung der Kosten im Rahmen zu treffender Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen. Die Gemeinsame Kommission nach § 28 des Landesrahmenvertrags gemäß § 79 Abs. 1 SGB XII (alter Landesrahmenvertrag ) hat in einer Beratung am 25. Mai 2018 das Verfahren zur Finanzierung der Arbeit der Werkstatträte und der Frauenbeauftragten im Arbeitsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen beschlossen . Hiernach werden 0,19 Euro betreuungstäglich (250 Tage im Jahr) als Bestandteil der Gesamtvergütung , unabhängig von der Anzahl der Frauen an der Gesamtbelegung, für alle Beschäftigten mit Kostenzusagen für den Arbeitsbereich anerkannt. In diesem Betrag ist die Finanzierung der Werkstatträte auf Landes- und Bundesebene inklusive des Aufwands für Vertrauenspersonen (Land) enthalten. Die Beträge für die Finanzierung der Arbeit der Interessenvertretungen auf Landes- und Bundesebene müssen von den Werkstätten an die jeweiligen Arbeitsgemeinschaften abgeführt werden. Ausgehend von diesen Fakten werden für die Arbeit der Werkstatträte insgesamt rund 280.000 Euro jährlich von den zuständigen Kostenträgern finanziert. (0,1227 Euro x 250 Tage/Jahr x 9.110 Beschäftigte im Arbeitsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen [Belegungsstatistik Bundesagentur für Arbeit] = 279.449,25 Euro) Darüber hinaus werden die angemessenen Aufwendungen für die Vertrauenspersonen in den Werkstätten berücksichtigt, wenn die entsprechenden Kosten nachgewiesen und nicht bereits über das finanzierte Personal in der Einrichtung refinanziert werden. Seitens des Landes werden keine zusätzlichen Mittel für die Arbeit der Werkstatträte bereitgestellt. Werner Ministerin Förderung ehrenamtlichen Engagements von Menschen mit Behinderungen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: