08.07.2015 Drucksache 6/867Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 23. Juli 2015 Begriffsklärung: "Gender" Die Kleine Anfrage 303 vom 7. Mai 2015 hat folgenden Wortlaut: In der 7. Sitzung des Thüringer Landtags am 26. Februar 2015 beantwortete Frau Staatssekretärin Feierabend die Mündliche Anfrage in Drucksache 6/208 des Abgeordneten Höcke, AfD. Sie stellte abschließend fest: "Gender-Mainstreaming ist als ein komplexer und langjähriger Organisationsentwicklungsprozess zu betrachten , dessen Ziel darin besteht, Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit für Frauen, Mädchen und Männer und Jungen durch eine modernisierte Verwaltung herzustellen." (Plenarprotokoll vom 26. Februar 2015, Seite 349) Der Begriff Gender bezieht sich, wie in der Begründung zur Mündlichen Anfrage ausgeführt wurde, nicht auf das natürliche, sondern auf ein jeweils sozial konstruiertes und von biologischen Merkmalen unabhängiges Geschlecht. Frau Staatssekretärin Feierabend nahm jedoch keinen Bezug auf ein sozial konstruiertes Geschlecht , sondern stütze sich auf das natürliche Geschlecht und deren übliche Ausprägungen. Die von Frau Staatssekretärin Feierabend gegebene Definition von Gender-Mainstreaming erscheint als Synonym für Gleichberechtigung von Mann und Frau. Das wird der inhaltlichen Tragweite des Gender-Begriffs , wie er heute von der Genderforschung gebraucht wird, nicht gerecht. Es scheint als wäre der Begriff Gender-Mainstreaming für die Arbeit der Landesregierung bisher nicht eindeutig definiert. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Landesregierung für eine transparente Politik eintreten möchte , sollten unklare bzw. umstrittene Begriffe wie Gender klar definiert werden, um eine sachliche Auseinandersetzung zu ermöglichen. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Definitionen von Gender-Mainstreaming, Gender, Gleichstellung, Gleichberechtigung und Chancengleichheit liegen der Arbeit der Landesregierung zugrunde? 2. Versteht die Landesregierung die Herstellung von Chancengleichheit als Ziel ihrer Politik? 3. Wie beurteilt die Landesregierung den Versuch, den Erfolg von Maßnahmen zur Herstellung von Chancengleichheit an tatsächlich eintretenden Zuständen zu messen? 4. Welche Unterschiede gibt es aus Sicht der Landesregierung zwischen Gleichstellung von Mann und Frau und Gender-Mainstreaming? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Höcke (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/867 5. Welche konkreten Funktionen haben die in § 7 Abs. 3 der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Landesregierung sowie für die Ministerien und die Staatskanzlei des Freistaats Thüringen genannten Gender Koordinatoren in Abgrenzung zu den Beauftragten für die Gleichstellung von Frau und Mann? 6. In welcher Art und Weise erfolgt eine Evaluierung der Arbeit der Gender Koordinatoren? 7. In welcher Art und Weise erfolgt eine Evaluierung der Arbeit der Beauftragten für die Gleichstellung von Frau und Mann? 8. Wie stellt sich der "langjährige Organisationsentwicklungsprozess" (vgl. Plenarprotokoll vom 26. Februar 2015, Seite 349) des Gender-Mainstreamings für die Landesregierung dar? 9. Inwieweit wird dieser Prozess durch die Landesregierung gesteuert? 10. Gab es in der Arbeit der Landesregierung seit Einführung des Gender-Mainstreamings in das Arbeitsprogramm der Landesregierung eine Verschiebung der Bedeutung des Gender-Begriffs? Wenn ja, in welcher Art und Weise? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 7. Juli 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Hinsichtlich der von der Landesregierung verwendeten Begriffsdefinitionen zu Gender-Mainstreaming, Gender, Gleichstellung, Gleichberechtigung und Chancengleichheit wird auf die Broschüre "Gleichstellung von A bis Z" des Freistaats Thüringen verwiesen: http://apps.thueringen.de/de/publikationen/pic/pubdownload 897.pdf Zu 2.: ja Zu 3.: Die Landesregierung hält es für unerlässlich, dass die tatsächliche Umsetzung des verfassungsrechtlich garantierten Gleichstellungsgebotes überprüft und sichtbar gemacht werden kann. Dies erfolgt insbesondere durch die gesetzlich normierten Gleichstellungsberichte. Daneben ist exemplarisch als bundesweite Erhebung auf den "Atlas zur Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland" zu verweisen, der inzwischen in der 2. Auflage erschienen ist und durch die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder beschlossen wird. Er dokumentiert durch eine vergleichende Erfassung von wichtigen Indikatoren regionale Unterschiede in der Gleichstellung von Frauen und Männern durch eine bundeseinheitliche Bestandsaufnahme für die Landes- und die Kreisebene . Der Atlas kann auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eingesehen werden. Darüber hinaus hat die Beauftragte für die Gleichstellung von Frau und Mann beim Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie von Beginn ihrer Tätigkeit an alle relevanten Akteure nachdrücklich und mit Erfolg auf die Notwendigkeit der Erhebung geschlechterrelevanter Daten hingewiesen. Europapolitisch wird ebenfalls das Ziel der Herstellung von Chancengerechtigkeit für Frauen und Männer verfolgt. Mit Beginn der Förderperiode 2000 bis 2006 wurde Gender Mainstreaming erstmals als eigenständige Strategie im Rahmen der EU-Strukturfonds eingeführt. Innerhalb dieses strategischen Ansatzes erfolgt sowohl eine ex-ante- als auch eine ex-post-Evaluierung der Umsetzung der Chancengleichheit durch statistische Erhebungen und die Kontrolle der Fördermittelgeber, welche ihrerseits einer Kontrolle durch die EU-Kommission unterliegen. Zu 4.: Gender-Mainstreaming ist eine Strategie, um durchgängig sicherzustellen, dass Gleichstellung als Staatsaufgabe insbesondere von allen Akteuren der öffentlichen Verwaltung verwirklicht wird. Gender-Mainstreaming ist damit das Instrument, Gleichstellung das Ziel. 3 Drucksache 6/867Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 5.: Die Gender Koordinatoren sind nach § 7 Abs. 4 Satz 3 der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Landesregierung sowie für die Ministerien und die Staatskanzlei des Freistaats Thüringen für die Koordinierung der gleichstellungspolitischen Aufgaben der Ressorts sowie der Thüringer Staatskanzlei zuständig. Status, Aufgaben und Rechte der Gleichstellungsbeauftragten sind in den §§ 17 ff. Thüringer Gleichstellungsgesetz (ThürGleichG) normiert. Zu 6. und 7.: Gemäß § 14 ThürGleichG legt die Landesregierung dem Landtag alle sechs Jahre einen Erfahrungsbericht über die Gleichstellung von Frauen und Männern in den öffentlichen Dienststellen sowie über die Anwendung dieses Gesetzes vor. In diesen Bericht fließen auch die Erfahrungen aus und mit der Arbeit der Gender -Koordinatoren ein. Zu 8. und 9.: Mit Kabinettsbeschluss vom 5. Juni 2007 wurde das Konzept zur Umsetzung von Gender-Mainstreaming in die Landesverwaltung eingeführt. Für die organisatorische Umsetzung wurde das "TOP down"-Modell gewählt. Als Ansprechpartner für die Umsetzung von Gender-Mainstreaming wurde in den einzelnen Ressorts eine Gender-Koordinatorin oder ein Gender-Koordinator benannt, die unmittelbar dem Ministerbereich zugeordnet waren. Schulungen der Hausleitungen, Abteilungs- und Referatsleitungen der Ressorts sowie Informationsveranstaltungen für die Bediensteten zu Gender-Mainstreaming wurden von der Beauftragten der Landesregierung für die Gleichstellung von Frau und Mann zur Sensibilisierung aller Bediensteten der Landesverwaltung mit dieser Thematik organisiert und im Zeitraum 2007 bis 2009 durchgeführt. Inzwischen ist der Ansatz des Gender-Mainstreaming standardisiert und Bestandteil des Thüringer Gleichstellungsgesetzes . Die öffentlichen Dienststellen sind verpflichtet, in allen Phasen eines Gesetzgebungsverfahrens sowie beim Erlass von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften auf die Chancengleichheit von Frauen und Männern zu achten. Gleiches gilt bei der Haushaltsaufstellung und Haushaltsdurchführung (§ 27 ThürGleichG). Zu 10.: nein Werner Ministerin