10.07.2015 Drucksache 6/885Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 30. Juli 2015 Landesbürgschaften als Instrument der Wirtschaftsförderung Die Kleine Anfrage 332 vom 20. Mai 2015 hat folgenden Wortlaut: In Thüringen besteht die Möglichkeit, mittels Landesbürgschaften, welche durch den Freistaat Thüringen vergeben werden, volkswirtschaftlich förderungswürdige und betriebswirtschaftlich vertretbare Vorhaben abzusichern . Verbürgt werden Investitions-, Betriebsmittel- oder Avalkredite von Kreditinstituten im Geltungsbereich des EWR-Vertrags, sofern keine anderen Bürgschaften in Frage kommen. Öffentliche Bürgschaften sollen u.a. Unternehmen bei Umstrukturierungen oder Unternehmenssanierungen unterstützen, indem sie z.B. ein Teil des Kreditrisikos bei Krediten an Unternehmen absichern. In Thüringen ist das Finanzministerium in den jeweiligen Haushaltsgesetzen ermächtigt, Landesbürgschaften innerhalb eines vorgegebenen Rahmens auszureichen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Landesbürgschaften und mit welchen Volumen wurden seit dem Jahr 1990 in Thüringen durch den Freistaat ausgereicht (bitte in Fünfjahresschritten auflisten)? 2. Wie ist die prozentuale Verteilung von Landesbürgschaften nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 gestaffelt? 3. Wie viele Arbeitsplätze konnten nach Kenntnis der Landesregierung durch Landesbürgschaften seit dem Jahr 1990 ge sichert werden (bitte in Fünfjahresschritten auflisten)? 4. Wie viele Arbeitsplätze wurden nach Kenntnis der Landesregierung durch die Unterstützung mittels Landesbürgschaften in Thüringen seit dem Jahr 1990 geschaffen (bitte in Fünfjahresschritten auflisten)? 5. Welches Gesamtinvestitionsvolumen wurde in Thüringen durch die Ausreichung von Landesbürgschaften seit dem Jahr 1990 erzielt (bitte in Fünfjahresschritten auflisten)? 6. Wie hoch ist die Ausfallwahrscheinlichkeit bei Landesbürgschaften in Thüringen und wie hat sich diese seit dem Jahr 1990 verändert? 7. Wie beurteilt die Landesregierung das Instrument der Landesbürgschaft als Mittel der Wirtschaftsförderung ? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kowalleck (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Finanzministeriums 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/885 8. Wie viele Fälle sind der Landesregierung seit dem Jahr 1990 bekannt, bei denen der Kreditnehmer seinen Kreditverbindlichkeiten nicht nachgekommen ist und der Freistaat Thüringen somit in der Höhe seiner ausgereichten Bürgschaft in die Haftung eintreten musste (bitte in Fünfjahresschritten auflisten sowie prozentual ins Verhältnis zur Gesamtanzahl der vergebenen Bürgschaften setzen)? 9. Wie haben sich die Inanspruchnahmen des Freistaats aus Bürgschaften und das ge samte bereinigte Bürgschaftsvolumen des Freistaats seit dem Jahre 1990 entwickelt und welche Ursachen gibt es für diese Entwicklung? 10. Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeiten, Bürgschaften auszureichen als Wirtschaftsförderungsinstrument ? Das Thüringer Finanzministerium hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 10. Juli 2015 wie folgt beantwortet: Mit der Kleinen Anfrage 332 begehrt der Abgeordnete Kowalleck Auskunft über "Landesbürgschaften als Instrument der Wirtschaftsförderung". Im Einleitungstext der Kleinen Anfrage wird dies nochmals auf Landesbürgschaften für Kredite an Unternehmen konkretisiert. Landesbürgschaften zur Förderung von Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft werden in Thüringen seit Juni 1992 auf Grundlage der Landesbürgschaftsrichtlinien (derzeit in der Fassung vom 19. Juni 2014) und unter Einbindung verschiedener Mandatare gewährt. Für die Beantwortung der Fragen 1 bis 8 hat die Landesregierung die nach den Landesbürgschaftsrichtlinien bewilligten Landesbürgschaften einschließlich der parallel zu Bürgschaften des Bundes ausgereichten Landesbürgschaften zusammengefasst. Den Antworten auf die Fragen 9 und 10 wurden hingegen sämtliche Gewährleistungen des Freistaats, unabhängig von der Art der Haftungsübernahme und dem Förderzweck zugrunde gelegt. Zu 1.: In den Jahren 1990 bis 2015 wurden durch den Freistaat Thüringen 184 Landesbürgschaften in Höhe von 841,5 Millionen Euro übernommen: Zeitraum Anzahl Volumen 1990 bis 1994 69 256,4 Millionen Euro 1995 bis 1999 71 364,3 Millionen Euro 2000 bis 2004 9 26,7 Millionen Euro 2005 bis 2009 19 110,8 Millionen Euro 2010 bis 2014 15 78,5 Millionen Euro 2015 1 4,8 Millionen Euro Zu 2.: Mit den in der Antwort zu Frage 1 genannten Landesbürgschaften wurden Unternehmen unterschiedlicher Branchen, jedoch mit Schwerpunkt auf dem verarbeitendem Gewerbe gefördert. Differenziert nach der "Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008" verteilen sich die Landesbürgschaften auf Unternehmen - des verarbeitenden Gewerbes: ca. 82 Prozent, - der Land- und Forstwirtschaft: ca. 4 Prozent, - des Baugewerbes ca. 4 Prozent, - des Verkehrs und Lagerei ca. 3 Prozent, - der Abfallentsorgung ca. 3 Prozent, - des Gesundheitswesens ca. 1 Prozent des Bürgschaftsvolumens. Der Anteil der Branchen "Bergbau", "Handel", "Gastgewerbe", "Information und Kommunikation", "Grundstückswesen " und "sonstige Dienstleistungen" beträgt jeweils weniger als ein Prozent des Bürgschaftsvolumens . Innerhalb des verarbeitenden Gewerbes dominierten die Industriezweige "Papier", "Glas und Keramik ", "Datenverarbeitungsgeräte", "Maschinenbau" und "Kfz-Industrie" mit jeweils zehn Prozent bis 13 Prozent Anteil am Bürgschaftsvolumen. 3 Drucksache 6/885Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 3. und 4.: Die Beantwortung der Fragen 3 und 4 wird zusammengefasst, da im Rahmen der Bürgschaftsbewilligung die Anzahl der gesicherten bzw. neu geschaffenen Arbeitsplätze nicht getrennt erhoben wird. In den Jahren 1990 bis 2015 wurden durch die Übernahme von Landesbürgschaften insgesamt etwa 40.350 Arbeitsplätze gefördert: Zeitraum Geförderte Arbeitsplätze 1990 bis 1994 16.255 1995 bis 1999 10.094 2000 bis 2004 1.763 2005 bis 2009 7.019 2010 bis 2014 4.805 2015 415 Zu 5.: Im Rahmen der Bürgschaftsbewilligung wurde das durch die verbürgten Darlehen mitfinanzierte Gesamtinvestitionsvolumen nicht statistisch erhoben. Allerdings können die durch Landesbürgschaften abgesicherten Investitionskredite ermittelt werden. In den Jahren 1990 bis 2015 wurden Investitionskredite in Höhe von 1.118,3 Millionen Euro durch Landesbürgschaften abgesichert: Zeitraum Investitionskredite 1990 bis 1994 312,5 Millionen Euro 1995 bis 1999 613,2 Millionen Euro 2000 bis 2004 45,5 Millionen Euro 2005 bis 2009 39,4 Millionen Euro 2010 bis 2014 107,7 Millionen Euro 2015 0 Euro Zu 6.: Die "Ausfallwahrscheinlichkeit" des Bürgschaftsportfolios stellt eine in die Zukunft gerichtete Schätzung dar, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Freistaat aus den gewährten Bürgschaften in Anspruch genommen werden wird. Die Ausfallwahrscheinlichkeit des Bürgschaftsbestandes zu einem in der Vergangenheit liegenden Stichtag kann im Gegensatz zur tatsächlichen Ausfallentwicklung (siehe Antwort zu Frage 8) nachträglich nicht festgestellt werden. Zu 7.: Das Instrument der Landesbürgschaft als Mittel der Wirtschaftsförderung eröffnet die Möglichkeit, Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft und der freien Berufe für Vorhaben und Maßnahmen die in Thüringen durchgeführt werden, eine effektive Unterstützung bei deren Finanzierung zu gewähren. Mit einer Landesbürgschaft können sowohl Betriebsmittel- als auch Investitionskredite von Kreditinstituten besichert werden. Damit reicht das Förderspektrum von der reinen Liquiditätssicherung über Gründungs- und Wachstumsinvestitionen und Nachfolgefinanzierungen bis hin zu Spezialfinanzierungen. Landesbürgschaften stellen damit ein überaus flexibles Förderinstrument dar. Aus haushaltsrechtlicher Sicht stellt eine Landesbürgschaft eine haushaltsschonende Möglichkeit der Wirtschaftsförderung dar, da sie im Gegensatz zur reinen Zuschussförderung nur dann zu einer Haushaltsbelastung führt, wenn die verbürgten Kredite notleidend werden und es zum Ausfall kommt. Zudem werden Landesbürgschaften regelmäßig nur dann und in der Höhe von Unternehmen bzw. Kreditinstituten beantragt und in Anspruch genommen, wenn zu erwarten ist, dass das zugrunde liegende Vorhaben aus sich heraus wirtschaftlich ist, denn für die Landesbürgschaft ist ein Entgelt zu entrichten, durch welches die Finanzierungskosten erhöht werden. Mitnahmeeffekte entfallen damit regelmäßig. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/885 Zu 8.: Der Freistaat Thüringen wurde in den Jahren 1990 bis 2015 in 90 Fällen aus ausgefallenen Landesbürgschaften in Anspruch genommen: Zeitraum Ausfälle in Prozent 1990 bis 1994 38 55,1 1995 bis 1999 45 63,4 2000 bis 2004 3 33,3 2005 bis 2009 3 15,8 2010 bis 2014 1 6,7 2015 0 0,0 Zu 9.: Der Bestand der Eventualverbindlichkeiten zum 31. Dezember eines jeden Jahres sowie die Schadenszahlungen des Landes aus in Anspruch genommenen Gewährleistungen haben sich wie folgt entwickelt: Jahr Bestand Zahlungen 1991 228,4 Millionen Euro 0,- Euro 1992 419,4 Millionen Euro 0,- Euro 1993 906,4 Millionen Euro 0,- Euro 1994 1.456,2 Millionen Euro 1,3 Millionen Euro 1995 1.882,6 Millionen Euro 12,3 Millionen Euro 1996 2.415,4 Millionen Euro 29,2 Millionen Euro 1997 3.048,5 Millionen Euro 50,5 Millionen Euro 1998 3.511,3 Millionen Euro 39,8 Millionen Euro 1999 4.013,1 Millionen Euro 70,6 Millionen Euro 2000 4.228,5 Millionen Euro 47,3 Millionen Euro 2001 1.968,7 Millionen Euro 43,0 Millionen Euro 2002 1.950,8 Millionen Euro 49,1 Millionen Euro 2003 2.087,0 Millionen Euro 28,0 Millionen Euro 2004 1.981,8 Millionen Euro 87,4 Millionen Euro 2005 1.869,0 Millionen Euro 71,4 Millionen Euro 2006 1.739,8 Millionen Euro 64,7 Millionen Euro 2007 1.780,0 Millionen Euro 34,3 Millionen Euro 2008 1.663,2 Millionen Euro 11,7 Millionen Euro 2009 1.649,7 Millionen Euro 13,3 Millionen Euro 2010 1.664,3 Millionen Euro 19,1 Millionen Euro 2011 1.623,5 Millionen Euro 19,4 Millionen Euro 2012 1.562,0 Millionen Euro 13,6 Millionen Euro 2013 1.845,3 Millionen Euro 9,2 Millionen Euro 2014 1.754,2 Millionen Euro 6,2 Millionen Euro 2015 -------------- 2,6 Millionen Euro Zum Bestand der Eventualverbindlichkeiten ist zunächst auf eine technische Korrektur der Bestandserhebung im Jahr 2001 hinzuweisen. Bis zum Jahr 2000 wurden in der jährlichen Haushaltsrechnung die kumulierten Gewährleistungsübernahmen, abzüglich der jährlichen Ausfallzahlungen ausgewiesen. Ab dem Jahr 2001 wurde in der Haushaltsrechnung die um Tilgungen, Urkundenrückgaben und Ausfälle bereinigte Valuta der Eventualverbindlichkeiten ausgewiesen. Die nachträgliche Darstellung eines bereinigten Bürgschaftsbestandes in den Jahren 1991 bis 2000 ist nicht möglich. 5 Drucksache 6/885Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Die Entwicklung der Eventualverbindlichkeiten des Landes folgt der wirtschaftlichen Entwicklung des Freistaats selbst. Sie ist zunächst deutlich geprägt durch einen rasanten Aufbau des Bürgschaftsbestandes nach der Gründung des Freistaats. Ursachen waren u. a. - zahlreiche Unternehmensgründungen nach der Wende, - Neuausrichtung ehemaliger VEB in der Marktwirtschaft, - hoher Modernisierungsdruck in den bestehenden Unternehmen, - hoher Modernisierungsbedarf im Wohnungsbestand und steigende Nachfrage nach Wohnimmobilien (Eigenheimen). Hohen Haftungsübernahmen standen in der ersten Dekade nur geringe Tilgungsleistungen auf die abgesicherten Kredite gegenüber. Mit Beginn des neuen Jahrtausends verlangsamte sich der Zuwachs an neuen Gewährleistungsübernahmen, während die Abgänge in den Bestandsfällen zunahmen. Dies führte ab dem Jahr 2001 zu einem Rückgang im Bürgschaftsbestand. Im Bereich der Wohnungsbauförderung hat sich dieser Trend bis heute fortgesetzt. Im Bereich der gewerblichen Wirtschaft wurde der Bestandsabbau in den Jahren 2009 und 2010 in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise unterbrochen. Eine gestiegene Risikoaversion der Geschäftsbanken, verbunden mit einer Verschlechterung der Wirtschaftskraft der Unternehmen führte zu einem deutlichen Nachfrageschub in diesem Bereich. Hinzu kam, dass im Zuge der Bemühungen um eine Eindämmung und Überwindung der Krise die Förderintensität im Allgemeinen zunahm. Ab dem Jahr 2011 ging die Bürgschaftsnachfrage Stück für Stück wieder auf das Vorkrisenniveau zurück. Der Bestandsaufwuchs im Jahr 2013 war maßgeblich von der Absicherung des 2. Bauabschnitts des Universitätsklinikums in Jena von mehr als 310 Millionen Euro verursacht. Die Entwicklung der Ausfallzahlungen des Landes hat ihre Ursache ebenfalls in der gesamtwirtschaftlichen Ausgangslage und der Entwicklung des Freistaats Thüringen nach der Wende. Unter anderem mit den Finanzierungshilfen des Landesbürgschaftsprogramms versuchte der Freistaat, die Unternehmen beim Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft zu unterstützen und eine konkurrenzfähige Wirtschaftsstruktur zu etablieren. Nicht alle Unternehmen konnten diesen Prozess erfolgreich umsetzen und am Markt Fuß fassen, sodass es mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung zu zahlreichen Bürgschaftsinanspruchnahmen kam. Mit der Stabilisierung des gesamtwirtschaftlichen Umfeldes gingen bei einem abnehmenden Bürgschaftsbestand auch die Ausfallzahlen zurück. Positiv zu werten ist, dass der Umfang der Bürgschaftsausfälle der gewerblichen Wirtschaft auch in und nach der Zeit der Finanz- und Wirtschaftskrise gemessen an den zu dieser Zeit höheren Bürgschaftsbeständen nur moderat zunahm. Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten werden nach der aktuellen Fassung der Landesbürgschaftsrichtlinien nicht gewährt. Zu 10.: Die Möglichkeit, Bürgschaften als Wirtschaftsförderinstrument ausreichen zu können, beruht auf § 39 Thüringer Landeshaushaltsordnung und dem jeweils gültigem Haushaltsgesetz. Nach dem aktuellen Thüringer Haushaltsgesetz 2015 sind in § 13 Abs. 1 Gewährleistungsrahmen von 535 Millionen Euro vorgesehen, davon 400 Millionen Euro für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft. In der Vergangenheit waren diese Gewährleistungsrahmen regelmäßig auskömmlich bemessen, da sie den wirtschaftlichen und konjunkturellen Entwicklungen angepasst wurden. Vor diesem Hintergrund werden die Möglichkeiten, Bürgschaften als Wirtschaftsförderinstrument auszureichen, als ausreichend beurteilt. Taubert Ministerin