22.07.2015 Drucksache 6/898Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 6. August 2015 Schuldnerberatung und Verbraucherinsolvenzberatung in Thüringen - Aufgaben und Strukturen (Teil 2) Die Kleine Anfrage 307 vom 6. Mai 2015 hat folgenden Wortlaut: Durch steigende Anforderungen an finanzielle Alltagsdienstleistungen wie Miete, Telefon, Versicherungen, zunehmende rechtliche und tatsächliche Komplexität von Verträgen mit Anbietern sowie durch Unübersichtlichkeit der Angebote im Internet und vor allem durch unsichere und prekäre Lebens- und Arbeitsverhältnisse (Scheidung, befristete Arbeitsverträge) geraten Betroffene in Verschuldung. Mit Blick auf Thüringen ist dabei zu beachten, dass es mehr Menschen in schlecht bezahlten und unsicheren Arbeitsverhältnissen und auch mehr Menschen in (Langzeit-)Arbeitslosigkeit gibt als in Westdeutschland. Umso wichtiger ist eine wirksame und flächendeckende Schuldner- und Insolvenzberatung als Teil des sozialen Unterstützungs - und Auffangnetzes in Thüringen. Dabei ist auch zu bedenken, dass Schuldner- und Insolvenzberatung in der Praxis bzw. im jeweiligen konkreten Fall viele Überschneidungspunkte haben. Deshalb ist zum Beispiel auch zu klären, wie diese Tatsachen bei Fragen der Zusammenarbeit und bei den Arbeitsstrukturen der beiden Themenfelder zu berücksichtigen sind. Ich frage die Landesregierung: 1. Zu Personalstellen und Arbeitsaufkommen im Verbraucherinsolvenzverfahren in Thüringen seit dem Jahr 2009: a) Wie viele Stellen bzw. Stellenanteile (Vollbeschäftigteneinheiten) wurden durch das Land gefördert (bitte nach Kreisen und kreisfreien Städten und nach Jahren getrennt auflisten)? b) Wie viele Fälle konnten von welchen anerkannten Verbraucherinsolvenzberatungsstellen in welcher durchschnittlichen Dauer zum Entschuldungsziel geführt werden? c) Wie viele Entschuldungen konnten durch Gerichte entschieden werden (bitte nach Gerichtsstandorten aufschlüsseln)? d) Wie viele Anträge zur Entschuldung bei privater Insolvenz wurden bei den Gerichten eingereicht und wie viele wurden mit welchen Hauptbegründungen abgelehnt? e) Welche Wartezeiten sind der Landesregierung bekannt, die Hilfesuchende nach einem Erstkontakt mit Insolvenzberatungsstellen hinnehmen müssen, bis es zu einer Erstellung des Entschuldungsplanes bzw. der Antragstellung zur privaten Insolvenz bei Gericht kommt (wenn bekannt, bitte nach Kreisen und kreisfreien Städten ausweisen)? f) Wie viele Beratungen zur Verbraucherinsolvenz leistet eine Vollbeschäftigteneinheit durchschnittlich im Monat? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Skibbe (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/898 2. Inwiefern und aus welchen Gründen wäre nach Ansicht der Landesregierung ein staatlich betriebenes bzw. anders als bisher organisiertes Netz von Beratungsstellen in Thüringen sinnvoll bzw. nicht sinnvoll? 3. In welchen Kommunen werden nach Kenntnis der Landesregierung wie viele Schuldnerberatungsstellen neben den Verbraucherinsolvenzberatungsstellen außerhalb der Sozialämter gefördert (bitte nach Kommunen und Trägern der Beratungsstellen aufschlüsseln)? 4. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zur Frage, ob die Förderung von Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatungsstellen eine Maßnahme zur Verhinderung des Tätigwerdens von Gerichtsvollziehern sein kann? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 16. Juli 2015 (Eingang: 22. Juli 2015) wie folgt beantwortet: Zu 1.: Stellenplanung pro Jahr in Vollbeschäftigteneinheiten (VbE) Landkreis/kreisfreie Stadt 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Landkreis Altenburger Land 1,50 1,20 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 Landkreis Eichsfeld 1,10 1,35 1,10 1,10 1,10 1,10 1,10 kreisfreie Stadt Eisenach 0,44 0,90 0,45 0,85 0,85 0,85 0,85 Erfurt, Caritas 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 Erfurt, Parität 1,20 1,40 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 kreisfreie Stadt Gera 1,10 1,10 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 Landkreis Gotha 1,40 1,90 1,40 1,40 1,40 1,40 1,40 Landkreis Greiz 1,30 1,30 1,10 1,10 1,10 1,10 1,10 Landkreis Hildburghausen 0,70 1,00 0,70 0,70 0,70 0,70 0,70 Landkreis Ilmkreis 1,00 1,10 1,10 1,10 1,10 1,10 1,10 kreisfreie Stadt Jena 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 1,00 Landkreis Kyffhäuserkreis 0,95 1,25 0,85 0,85 0,85 0,85 0,85 Landkreis Nordhausen 1,00 1,00 0,90 0,90 0,90 0,90 0,90 Landkreis Saale-Holzland-Kreis 1,00 1,00 0,90 0,90 0,90 0,90 0,90 Landkreis Saale-Orla-Kreis 1,10 1,10 0,90 0,90 0,90 0,90 0,90 Landkreis Saalfeld-Rudolstadt 1,35 1,35 1,20 1,20 1,20 1,20 1,20 Landkreis Schmalkalden-Meiningen 1,25 1,75 1,25 1,25 1,25 1,25 1,25 Landkreis Sömmerda 0,60 0,60 0,60 0,70 0,70 0,70 0,70 Landkreis Sonneberg 0,80 0,70 0,70 0,60 0,60 0,60 0,60 kreisfreie Stadt Suhl 0,40 0,70 0,40 0,40 0,40 0,40 0,40 Landkreis Unstrut-Hainich-Kreis 1,15 1,40 1,10 1,10 1,10 1,10 1,10 Landkreis Wartburgkreis 1,50 1,50 1,40 1,00 1,00 1,00 1,00 kreisfreie Stadt Weimar 0,70 0,80 0,65 0,65 0,65 0,65 0,65 Landkreis Weimarer Land 0,90 1,40 0,90 0,90 0,90 0,90 0,90 Summe: 24,44 27,80 22,60 22,60 22,60 22,60 22,60 Zu 1.b: Hierzu liegen keine statistischen Angaben vor. Zu 1.c: Hierzu liegen keine statistischen Angaben vor. 3 Drucksache 6/898Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 1.d: Die Landesregierung geht davon aus, dass mit Anträgen auf Entschuldung bei privater Insolvenz die Zahl der Anträge auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens nach § 304 Insolvenzordnung (InsO) gemeint ist. Für die vier Thüringer Insolvenzgerichte sind folgende Zahlen bekannt: Anträge auf Eröffnung Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 InsO 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Amtsgericht Erfurt 1122 969 824 885 655 659 Amtsgericht Gera 832 801 708 678 607 528 Amtsgericht Meiningen 513 645 574 541 451 375 Amtsgericht Mühlhausen 462 451 472 441 401 420 Quelle: Thüringer Landesamt für Statistik (ZP-Statistik) Über die Art und Häufigkeit etwaiger Ablehnungsgründe besteht nur eine eingeschränkte statistische Datenlage . Einer der Gründe für die Nichtdurchführung eines Insolvenzverfahrens kann die Abweisung mangels Masse sein (§ 26 InsO), die grundsätzlich dann erfolgt, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Die Abweisung mangels Masse unterbleibt allerdings, wenn ein ausreichender Geldbetrag vorgeschossen wird oder die Kosten nach § 4a InsO (Schuldner ist eine natürliche Person und hat einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt) gestundet werden. Im Rahmen der bundeseinheitlichen Insolvenzstatistik sind folgende Zahlen bekannt: Insolvenzverfahren mangels Masse abgewiesen für 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Natürliche Personen als Gesellschafter u. Ä. 6 3 5 3 5 6 Ehemals selbständig Tätige davon 81 109 109 69 84 85 Regelinsolvenzverfahren 78 107 109 67 84 83 Verbraucherinsolvenzverfahren 3 2 2 2 Verbraucher 10 3 1 6 3 3 Quelle: Thüringer Landesamt für Statistik - Statistischer Bericht - Insolvenzen in Thüringen 2009, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014 Differenzierende Zahlen für die einzelnen Insolvenzstandorte liegen nicht vor. Zu 1.e: Entsprechende statistische Erkenntnisse liegen der Landesregierung nicht vor. Diese Daten sind auch nicht den Auswertungen des Statistischen Bundesamtes zu entnehmen, die aus der Teilnahme von Beratungsstellen an der bundesweiten "Statistik der Überschuldung privater Personen" entstehen. Von der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege wird zu dieser Frage mitgeteilt, dass nach Einschätzung der Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatungsstellen die Dauer von Beratungsprozessen tendenziell zunehme . Als Grund hierfür wird genannt, dass die Voraussetzungen für eine letztlich erfolgreiche Inanspruchnahme des Verbraucherinsolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung nur mit einer intensiveren Beratung und Unterstützung geschaffen werden könne. Dies betreffe insbesondere Beratungsfälle, die multiple Problemlagen aufweisen. Die dort notwendige umfangreiche Stabilisierung von Ratsuchenden ziehe einen höheren Zeitaufwand und eine längere Beratungsdauer nach sich, bis in die Phase der eigentlichen Entschuldungsbemühungen eingetreten werden könne. Das führe zwangsläufig zu längeren Wartezeiten. Zu 1.f: Hierzu liegen keine statistischen Angaben vor. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/898 Zu 2.: Das vorhandene, heterogene Netz von Beratungsstellen mit verschiedenen Trägern ist historisch gewachsen und unter anderem den regionalen Besonderheiten des Landes geschuldet. So sind in manchen Landkreisen Träger tätig, die es in anderen Kreisen nicht gibt. Das vorhandene System hat sich grundsätzlich bewährt. Erkenntnisse, dass ein anderes - etwa behördliches - System grundsätzlich sinnvoller sein könnte, es etwa eine Gewährleistung für bessere Strukturen oder ein besseres Beratungsangebot böte, liegen nicht vor. Gegen ein staatlich betriebenes Netz könnte aus Sicht der Betroffenen zudem sprechen, dass ein "Amt" oder eine "Behörde" eine Schwellenangst bewirken könnte, die bei den vorhandenen Trägern in dieser Weise nicht zu beobachten ist. Zu 3.: Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. Zu 4.: Die Tätigkeit der Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatungsstellen zielt u. a. auf eine geordnete Schuldenbereinigung und kann damit dazu beitragen, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von Gerichtsvollziehern entbehrlich werden. In Vertretung Dr. Albin Staatssekretärin