29.07.2015 Drucksache 6/906Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 11. August 2015 Überarbeitung der Pflegeberufe auf Bundesebene und damit verbundene Veränderungen für Thüringen Die Kleine Anfrage 342 vom 10. Juni 2015 hat folgenden Wortlaut: Die Große Koalition im Bundestag plant noch in dieser Legislaturperiode ein neues Pflegeberufegesetz. Auf Basis dieses Gesetzes sollen Altenpflege sowie Gesundheits-, Kranken- und Kinderkrankenpflege zu einem Pflegeberuf verschmolzen werden. Statt drei Ausbildungen soll es nur noch eine generalistische Pflegeausbildung geben. Es steht zu befürchten, dass durch diese Verschmelzung insbesondere in der Altenpflege der bereits eklatante Fachkräftemangel in Thüringen nochmals verstärkt wird. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung im Hinblick auf ihre Kompetenzen in der Bundesratspolitik zu der geplanten Verschmelzung der Pflegeberufe? 2. Wie viele unbesetzte Stellen wies der Thüringer Arbeitsmarkt in den Bereichen Altenpflege, Kinderkrankenpflege und Gesundheitspflege in den Jahren 2012, 2013, 2014 und in diesem Jahr jeweils auf? 3. Wie viele Menschen absolvierten in den Jahren 2012, 2013, 2014 (und Prognose für 2015) in Thüringen eine Ausbildung in den drei genannten Pflegeberufen? 4. Wie stellen sich die fachlichen Unterschiede der drei genannten Pflegeberufe insbesondere in der Ausbildung dar und welche Auswirkungen hätte eine Verschmelzung für die Ausbildung von Pflegern in Thüringen? 5. Wie hoch ist der zu erwartende Anstieg pflegebedürftiger Personen in Thüringen in den kommenden fünf Jahren? 6. Wie entwickelt sich Bezug nehmend auf Frage 5 voraussichtlich der Bedarf an Altenpflegern in den kommenden fünf Jahren? 7. Welche Maßnahmen erwägt die Landesregierung, um der zu erwartenden Verschärfung des Fachkräftemangels im Pflegebereich entgegenzuwirken? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kießling (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/906 Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 27. Juli 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Alle Bundesländer haben sich im Rahmen von Beschlüssen der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) und der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) für die Zusammenführung der Ausbildungen in den Bereichen Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege ausgesprochen. Zu 2.: Die drei nachgefragten Bereiche Altenpflege, Kinderkrankenpflege und Gesundheitspflege werden in dieser Form nicht in der amtlichen Statistik dargestellt. Der Landesregierung liegen aber Daten aus der Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit vor. Diese Statistik basiert auf der Klassifikation der Berufe 2010 (KldB 2010). Pflegeleistungen können danach in verschiedenen, nicht nur den drei genannten Gruppen enthalten sein. Als Anlage sind zwei Aufstellungen beigefügt, die die entsprechenden Daten enthalten (Anlage 1: Gliederung mit Helfern, jedoch nur bis in Berufsgruppen [3-Steller], Anlage 2: Gliederung ohne Helfer, jedoch bis in die Berufsgattungen [4-Steller]). Die aktuellsten Werte liegen per Mai 2015 vor. Um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurden auch für die Jahre 2012 bis 2014 die Mai-Werte verwendet. Zu 3.: Anzahl der Schüler Schuljahr 2011/2012 2012/2013 2013/2014 2014/2015 Altenpflege 1.998 1.833 1.908 2.017 Altenpflegehelfer 31 76 89 90 Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 38 36 35 63 Gesundheits- und Krankenpflege 1.441 1.461 1.483 1.472 Gesundheits- und Krankenpflegehelfer 42 48 49 87 Zu 4.: Bislang orientierte sich die Pflegeausbildung in Deutschland an den versorgenden Altersgruppen (Kinder, Erwachsene, alte Menschen) und am Ort der Versorgung (Krankenhaus, Pflegeheim etc.). Diese berufliche Gliederung ist zu keinem Zeitpunkt gezielt intendiert worden, vielmehr ist sie historisch gewachsen. Nirgendwo auf der Welt gibt es diese grundlegende Aufsplitterung des Pflegeberufs in der Erstausbildung nach Altersphasen außer in Deutschland. Die bundesdeutsche Altenpflegeausbildung ist eine in Europa nicht anerkannte Qualifikation. Altenpfleger, die ins europäische Ausland gehen, werden als Hilfs- oder Assistenzkräfte , nicht aber als Fachpersonal anerkannt. Für die generalistische Pflegeausbildung werden die drei Pflegefachberufe "Altenpflege", "Gesundheitsund Krankenpflege" und "Gesundheits- und Kinderkrankenpflege" zusammengeführt. Es entsteht ein neuer Pflegeberuf mit Schwerpunktsetzung. Die Ausbildung führt zu einem einheitlichen Berufsabschluss und einer einheitlichen Berufsbezeichnung. Die Anforderungen der EU-Richtlinie 2013/55/EG werden bei der Zusammenführung erfüllt. Damit kann der Berufsabschluss in Europa automatisch anerkannt werden. Das neue Pflegeberufsgesetz regelt die Rechte und Pflichten der Berufsangehörigen und definiert die prioritär vorbehaltenen Aufgaben der Pflege. Spezialisierungen folgen im Anschluss an die Berufsausbildung. Erstausbildung und Spezialisierungen ermöglichen lange Berufskarrieren im Sinne lebenslangen Lernens. Dabei geht es in einer generalistisch angelegten pflegerischen Berufsbildung nicht darum, die Inhalte der drei bisher getrennten Berufsausbildungen additiv zu lehren. Generalistisch ausgebildete Pflegende erwerben die erforderlichen Kompetenzen, die allgemeine Pflege von Menschen unterschiedlicher Altersgruppen und in unterschiedlichen Settings der Versorgung adäquat durchzuführen. Die demographische Entwicklung führt, auch in Thüringen, zu einem steigenden Bedarf an pflegerischer Unterstützung und Betreuung von Menschen, die pflegebedürftig sind, an einer chronischen oder akuten Krankheit leiden, präventive oder rehabilitative Maßnahmen erhalten oder am Ende des Lebens palliativ versorgt werden. Zugleich sinkt die Zahl der Schulabgänger. Diese Herausforderungen verlangen eine um- 3 Drucksache 6/906Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode fassende Reform in der Pflegeausbildung zur qualitativen und quantitativen Sicherstellung der professionellen pflegerischen Versorgung der Bevölkerung. Zu 5.: Die vom damaligen Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit in Auftrag gegebene Studie "Berechnung des Bedarfs an Altenpflegefachkräften in Thüringen in Perspektive 2030" ( abrufbar unter http://www. thueringen.de/imperia/md/content/tmsfg/stabsstelle/fachkraeftestudie_pflege_2030_2014-02-20.pdf) geht davon aus, dass die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Thüringen von 83.807 im Jahr 2012 auf 98.142 im Jahr 2020 steigen wird (a.a.O., Tabelle 7). Zu 6.: Die bei der Antwort auf Frage 5 genannte Studie geht davon aus, dass im Jahr 2020 ein Bedarf in Höhe von 11.973 Altenpflegefachkräften (Personen) gegenüber 9.517 beschäftigten Altenpflegefachkräften im Jahr 2012 bestehen wird (a.a.O., Tabelle 20). In Vollbeschäftigteneinheiten (VbE) umgerechnet sind dies 9.865 im Jahr 2020 gegenüber 7.847 VbE im Jahr 2012. Zu 7.: Es wird auf das Protokoll der 11. Sitzung des Thüringer Landtages in der 6. Wahlperiode am 27. März 2015 - Tagesordnungspunkt 11 - Qualität in der Pflege absichern - Weiterentwicklung des Thüringer Pflegepakts - verwiesen. In der betreffenden Debatte wurde ausführlich zum Gegenstand der Frage berichtet. Werner Ministerin Anlagen*) *) Hinweis: Auf den Abdruck der Anlagen wurde verzichtet. Ein Exemplar mit Anlagen erhielten jeweils die Fraktionen und die Landtagsbibliothek. Des Weiteren können sie im Abgeordneteninformationssystem unter der oben genannten Drucksachennummer sowie im Internet unter der Adresse: www.parldok.thueringen.de eingesehen werden. Arbeitsmarktdaten nach Zielberufen: Arbeitslose, Arbeitsuchende und gemeldete Arbeitsstellen Übersicht Ausgewiesenes Anforderungsniveau: Helfer, Fachkraft, Spezialist, Experte 16 Thüringen Berufe nach der Klassifikation der Berufe 2010 (KldB 2010) Berufsbereich Berufshauptgruppe AnforBerufsgruppe derungsniveau 2015 2014 2013 2012 81 Medizinische Gesundheitsberufe Gesamt 826 716 653 700 Helfer 15 12 14 18 Fachkraft 420 322 340 332 Spezialist 240 205 163 183 Experte 151 177 136 167 811 Arzt- und Praxishilfe Gesamt 183 139 145 Fachkraft 181 138 141 812 Medizinisches Laboratorium Gesamt 27 21 22 Fachkraft 22 19 20 813 Gesundh.,Krankenpfl.,Rettungsd.Geburtsh. Gesamt 235 166 199 187 Helfer 15 12 14 18 Fachkraft 195 138 162 144 Spezialist 9 14 12 9 Experte 16 * 11 16 814 Human- und Zahnmedizin Gesamt 94 133 89 Experte 94 133 89 816 Psychologie, nichtärztl. Psychotherapie Gesamt 21 19 23 Experte 20 19 23 817 Nicht ärztliche Therapie und Heilkunde Gesamt 242 208 158 Fachkraft 14 17 11 Spezialist 228 190 147 82 Nichtmed.Gesundheit,Körperpfl.,Medizint. Gesamt 784 707 657 632 Helfer 160 137 118 98 Fachkraft 592 538 517 514 Spezialist 23 26 * * Experte 9 6 * * 821 Altenpflege Gesamt 532 452 406 363 Helfer 160 137 114 97 Fachkraft 371 313 289 264 822 Ernährungs-,Gesundheitsberatung,Wellness Gesamt 4 6 3 Fachkraft * - Spezialist * 3 Experte * 3 823 Körperpflege Gesamt 183 202 196 Fachkraft 171 192 188 Spezialist 12 10 4 825 Medizin-, Orthopädie- und Rehatechnik Gesamt 61 40 44 Fachkraft 45 26 32 Spezialist 10 11 8 Experte 6 3 4 © Statistik der Bundesagentur für Arbeit Mai 2015 Bestand Gemeldete Arbeitsstellen Mai Anlage 1 Arbeitsmarktdaten nach Zielberufen: gemeldete Arbeitsstellen Ausgewiesenes Anforderungsniveau: Fachkraft, Spezialist, Experte (ohne Helfer) Thüringen Berufe nach der Klassifikation der Berufe 2010 (KldB 2010) Berufshauptgruppe Berufsgruppe Berufsuntergruppe 2015 2014 2013 2012 Berufsgattung Mai 15 Mai 15 Mai 14 Mai 13 81 Medizinische Gesundheitsberufe 811 704 639 682 8112 Podologen/Podologinnen 19 15 13 8118 Medizinische Fachangestellte (s.s.T.) 4 4 813 Gesundh.,Krankenpfl.,Rettungsd.Geburtsh. 220 154 185 169 8130 Berufe Gesundheits-, Krankenpflege (o.S) 176 130 154 137 8131 Berufe in der Fachkrankenpflege 5 9 8134 Berufe im Rettungsdienst 18 6 81342 Rettungsdienst - Fachkraft 18 6 8 8139 Aufsicht,Führung-Krankenpfl.,Rettungsd. 19 7 15 816 Psychologie, nichtärztl. Psychotherapie 21 19 23 18 8162 Berufe in der klinischen Psychologie 19 17 18 81624 Klinische Psychologie - Experte 18 17 18 817 Nicht ärztliche Therapie und Heilkunde 242 208 158 170 8171 Berufe in der Physiotherapie 143 124 94 92 81712 Physiotherapie - Fachkraft 9 8 10 81713 Physiotherapie - Spezialist 134 116 84 86 8172 Berufe in der Ergotherapie 62 47 35 47 81723 Ergotherapie - Spezialist 62 47 35 47 82 Nichtmed.Gesundheit,Körperpfl.,Medizint. 624 570 539 534 821 Altenpflege 372 315 292 266 8210 Berufe in der Altenpflege (o.S.) 370 313 288 822 Ernährungs-,Gesundheitsberatung,Wellness 4 6 3 823 Körperpflege 183 202 192 222 8239 Aufsicht - Körperpflege 12 10 4 825 Medizin-, Orthopädie- und Rehatechnik 61 40 44 41 83 Erziehung,soz.,hauswirt.Berufe,Theologie 350 300 311 288 831 Erziehung,Sozialarb.,Heilerziehungspfl. 313 271 290 263 8311 Berufe i.d. Kinderbetreuung, -erziehung 103 125 145 110 8312 Berufe i.d. Sozialarbeit,Sozialpädagogik 113 68 83 89 83124 Sozialarbeit, Sozialpädagogik - Experte 113 67 81 87 8313 Berufe Heilerziehungspflege, Sonderpäd. 39 42 34 41 83132 Heilerziehungspflege,Sonderpäd-Fachkraft 18 26 24 30 83134 Heilerziehungspflege,Sonderpäd.-Experte 21 15 8 8314 Berufe in der Haus- und Familienpflege 56 32 24 21 83142 Haus- und Familienpflege - Fachkraft 53 32 23 18 83143 Haus- und Familienpflege - Spezialist 3 - 832 Hauswirtschaft und Verbraucherberatung 36 27 20 24 8321 Berufe in der Hauswirtschaft 36 27 20 24 83212 Hauswirtschaft - Fachkraft 35 27 20 24 © Statistik der Bundesagentur für Arbeit Gemeldete Arbeitsstellen Bestand Mai Datenstand Anlage 2