29.07.2015 Drucksache 6/908Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 12. August 2015 Gefahrguttransporte durch Autobahntunnel im südlichen Ilm-Kreis Die Kleine Anfrage 340 vom 11. Juni 2015 hat folgenden Wortlaut: Derzeit ist die Tunnelkette auf der Autobahn (A) 71 weitgehend für Gefahrguttransporte gesperrt. Durch diese Sperrung müssen entsprechende Transporte auf die engeren Straßen des Thüringer Waldes ausweichen . Dies bringt eine hohe Gefahr für Mensch und Umwelt mit sich. Der Rennsteigtunnel zählt zu den sichersten Tunneln Europas und auch die Feuerwehr und sowie die Tunnelleitung sind sehr gut ausgebildet . Die derzeitige Sperrung selbst für niedrigschwellige Gefahrgutklassen birgt für die Umleitungsstrecke ein höheres Risiko als für die Tunnelstrecke selbst. Die Sperrregelungen für Gefahrgut sind darüber hinaus bereits jetzt inkonsequent, da Dieseltransporte die Tunnelkette nicht, Biodieseltransporte jedoch sehr wohl passieren können. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Einschätzung trifft die Landesregierung zur Sicherheit der A 71-Tunnelkette durch den Thüringer Wald? 2. Wie schätzt die Landesregierung die Sperrung der Tunnelkette für Gefahrguttransporte im Kontext anderer Autobahntunnel in Deutschland ein? 3. Welche Autobahntunnel in Deutschland sind der Landesregierung bekannt, die bereits weitreichender für Gefahrguttransporte geöffnet sind? 4. Welche Risiken bei Unfällen durch Gefahrguttransporte sieht die Landesregierung für die Umleitungsstrecke um die Rennsteig-Tunnelkette? 5. Plant die Landesregierung die Rennsteig-Tunnelkette für bisher nicht zugelassene gefährliche Transporte freizugeben? Wenn nein, weshalb nicht? Wenn ja, für welche Gefahrstoffklassen? Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Landesre gierung mit Schreiben vom 28. Juli 2015 wie folgt beantwortet: Vorbemerkungen: Grundsätzlich ist festzustellen, dass alle Straßentunnel, die gemäß den Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln (RABT) errichtet werden, als Teil der öffentlichen Straßen uneingeschränkt K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Bühl (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/908 dem Verkehr zur Verfügung stehen. Lediglich in bestimmten Fallkonstellationen ist eine Einschränkung der Nutzbarkeit für Gefahrguttransporte vorzunehmen. Beschränkungen für die Durchfahrt von Fahrzeugen mit gefährlichen Gütern basieren auf der Annahme, dass in Tunneln drei Hauptgefahren (Explosionen, Freiwerden giftiger Gase und Brände) bestehen, die zu zahlreichen Opfern oder ernsthaften Schäden an Tunnelbauwerken führen können. Diese Hauptgefahren bestehen unabhängig von der Klasseneinteilung der Gefahrgüter. Gefährliche Güter im Sinne der Gefahrgutvorschriften sind Stoffe und Gegenstände, von denen auf Grund ihrer Natur, ihrer Eigenschaften oder ihres Zustandes im Zusammenhang mit der Beförderung, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere für die Allgemeinheit, für wichtige Gemeingüter, für Leben und Gesundheit von Menschen sowie für Tiere und Sachen ausgehen können. So ist Biodiesel im Gegensatz zu Dieselkraftstoff (Flammpunkt 60°C) u.a. wegen des signifikant höheren Flammpunktes von ca. 130°C kein Gefahrgut und erhält deshalb auch keine UN-Nummer. Deshalb unterliegt der Stoff nicht dem Europäischen Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) und fällt damit auch nicht unter die Beschränkungsregelungen für Tunnel. Zu 1.: Die Tunnel der A 71 wurden nach den Grundsätzen der RABT ausgerüstet. Sie werden entsprechend den dort beschriebenen Maßnahmen zur sicheren Verkehrsführung, der Vermeidung kritischer Ereignisse sowie des Schutzes und der Selbstrettung der Tunnelnutzer betrieben. Der Tunnelbetreiber trägt auch Sorge dafür, Fremdrettung, ohne nicht einzuschätzende Risiken, leisten zu können. Zu 2.: Derzeit befinden sich 256 Tunnel mit einer Gesamtröhrenlänge von ca. 250 Kilometer im Bereich der Bundesfernstraßen . Nicht alle Straßentunnel in Deutschland sind uneingeschränkt für Fahrzeuge mit gefährlichen Gütern nutzbar. Hierzu wird auf die Angaben in der Anlage verwiesen. Die Länder Bayern, Berlin, Hamburg , Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben beschränkende Tunnelkategorien vergeben. Dabei wurde ein einheitliches Verfahren zur Kategorisierung der Tunnel verwendet, welches im Jahr 2007 auf Initiative Thüringens bundesweit eingeführt wurde. Die Tunnelsicherheit wird durch eine Vielzahl von Parametern beeinflusst. Neben baulichen Randbedingungen zählen dazu die Querschnitte, die Trassierung, die Anbindung im Netz, Verkehrsaufkommen, LKW-Anteil einschließlich Gefahrgutaufkommen sowie Zugriffszeiten der Einsatzdienste. Nach der RABT ist jeder Tunnel einer Einzelfallbetrachtung zu unterziehen. Insoweit sind Vergleiche nicht zielführend. Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Zu 3.: In Thüringen sind folgende Tunnel der Tunnelkategorie "A" (keine Beschränkung für gefährliche Güter) zugeordnet : - Behringen, Eichelberg und Schmücke (A 71), - Lobdeburg und Jagdberg (A 4) und - Höllberg (A 38). Straßentunnel mit Nutzungsbeschränkungen gemäß ADR in Deutschland ergeben sich aus der vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur geführten Übersicht (Anlage). Die dort nicht aufgeführten Tunnel haben demzufolge keine Beschränkung und sind der Tunnelkategorie "A" zugeordnet. Zu 4.: Auf der Landesstraße (L) 3004 sowie der L 3247 sind der Landespolizei bisher keine gefahrgutrechtlich relevanten Verkehrsunfälle bzw. Ereignisse mit Beteiligung von Gefahrgutfahrzeugen bekannt. Unfallhäufungsstellen oder -linien mit hauptsächlicher Beteiligung von Fahrzeugen des gewerblichen Güterverkehrs konnten darüber hinaus ebenfalls nicht erkannt werden. Die Verkehrsbelegung der Umfahrungsstrecken insgesamt ist mit der Verkehrsfreigabe der A 71 zurückgegangen . Dies wirkt sich positiv auf die Verkehrssicherheit der Gefahrgutfahrzeuge aus. 3 Drucksache 6/908Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 5.: Gemäß dem Koalitionsvertrag für die 6. Wahlperiode soll eine Überprüfung der Nutzung der Rennsteigtunnelkette für Gefahrguttransporte erfolgen. Die bisherige Sperrung der Tunnelkette erfolgte im Ergebnis der bundeseinheitlichen Kategorisierung (vgl. Antwort zu Frage 2), der Sicherheitsbewertung nach Vorgaben des Bundesverkehrsministeriums sowie auf der Grundlage der Betrachtung der Kriterien der Gefahrenabwehr. Aus Sicht der Landesregierung haben sich hinsichtlich dieser drei Bewertungskriterien keine grundlegenden Änderungen ergeben. In Vertretung Dr. Sühl Staatssekretär Anlage*) *) Hinweis: Auf den Abdruck der Anlage wurde verzichtet. Ein Exemplar mit Anlage erhielten jeweils die Fraktionen und die Landtagsbibliothek . Des Weiteren kann sie im Abgeordneteninformationssystem unter der oben genannten Drucksachennummer sowie im Internet unter der Adresse: www.parldok.thueringen.de eingesehen werden.