14.08.2015 Drucksache 6/934Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 25. August 2015 Weite Wege zum Arbeitsgericht Gera? Die Kleine Anfrage 401 vom 17. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut: In einem Artikel in der Ostthüringer Zeitung vom 23. Mai 2015 (Titel: "... Weniger Klagen wegen weiter Wege zum Arbeitsgericht") befürchtet der Direktor des Arbeitsgerichts Gera, Thomas Hanke, nach der Schließung des Arbeitsgerichts Jena und danach festgestellten gesunkenen Fallzahlen "negative Auswirkungen auf die Rechtskultur" und argumentiert: "Die Menschen loten wegen der Entfernung gründlicher aus, ob sich eine Klage lohnt. Bei geringen Beträgen wird es sich jeder zweimal überlegen, ob sich eine Klage lohnt, da die Reisekosten in der Regel nicht erstattet werden." Ich frage die Landesregierung: 1. Ist es den Ostthüringer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zumutbar, um das für sie zuständige Arbeitsgericht in Gera zu erreichen, hin und zurück ca. 200 Kilometer zu fahren, eine Fahrzeit von ca. vier Stunden und damit in der Regel eine Tagesreise mit erheblichem finanziellen und zeitlichen Aufwand auf sich nehmen zu müssen? 2. Ist es den Ostthüringer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zumutbar, im Hinblick auf die in § 12a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) geregelte Kostentragungspflicht für die erste Instanz derart große Entfernungen zum Arbeitsgericht in Kauf nehmen zu müssen, um ihre Arbeitnehmerschutzrechte wahrnehmen zu können? 3. Beabsichtigt die Landesregierung, die offensichtlich arbeitnehmerunfreundliche Zusammenlegung von Arbeitsgerichten und den Abbau von Richterstellen durch die Vorgängerregierung zu prüfen und gegebenenfalls rückgängig zu machen? 4. Falls die Landesregierung die Zusammenlegung nicht rückgängig macht: Beabsichtigt sie, dem Beispiel anderer Bundes länder - Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz - zu folgen und sogenannte Außenkammern des Arbeitsgerichts, zum Beispiel in Rudolstadt und Jena, zu errichten? 5. Für den Fall, dass die Landesregierung Außenkammern nicht einrichten will: Beabsichtigt die Landesregierung zumindest Gerichtstage des Arbeitsgerichts Gera in Jena und Rudolstadt durchzuführen, um den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern das ohne hin hohe Kostenrisiko bei Klageerhebung zu mindern? 6. Beabsichtigt die Landesregierung, die Arbeitsgerichtsbarkeit, wie in anderen Bundes ländern auch, in Thüringen wieder dem Arbeitsministerium zuzuordnen und gegebenenfalls warum nicht? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Rosin (SPD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/934 Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 13. August 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Durch Artikel 5 des Haushaltsbegleitgesetzes 2012 vom 21. Dezember 2011 (GVBl. S. 531) wurde das Thüringer Gesetz zur Ausführung des Arbeitsgerichtsgesetzes zum 1. Januar 2014 u.a. dahingehend geändert , dass das Arbeitsgericht Jena geschlossen wurde und der Bezirk des Arbeitsgerichts Gera um den Saale-Holzland-Kreis, den Landkreis Saalfeld-Rudolstadt und die kreisfreie Stadt Jena vergrößert wurde. Diese gesetzgeberische Veränderung der Gerichtsstruktur war eine notwendige Reaktion auf den massiven Rückgang der Eingangszahlen bei den Arbeitsgerichten. Mit der Veränderung des Gerichtsbezirks ist eine Verlängerung der bisherigen Anfahrtswege um maximal 45 Kilometer verbunden. Die damit teilweise verbundenen längeren Fahrtzeiten zum Arbeitsgericht Gera sind eine notwendige und zumutbare Folge , um auch künftig ein hinreichendes Fallaufkommen und effiziente Strukturen in der Thüringer Arbeitsgerichtsbarkeit zu sichern. Zu 2.: Aus den Auswirkungen des § 12a Arbeitsgerichtsgesetz folgt landesrechtlich kein Anspruch auf eine bestimmte Einrichtung von Gerichtsstandorten. Das arbeitsgerichtliche Angebot kann nicht losgelöst von der demografischen Entwicklung, dem Geschäftsanfall und den personellen, baulichen und haushälterischen Rahmenbedingungen in Thüringen betrachtet werden. Die vorhandenen Ressourcen sollen zur bestmöglichen Umsetzung des Justizgewährungsanspruchs in allen Gerichtsbarkeiten eingesetzt werden. Längere Fahrtstrecken und damit verbundene Zeitversäumnisse lassen sich leider nicht generell vermeiden. Zu 3.: In Thüringen besteht mit den vier Arbeitsgerichten in Erfurt, Gera, Nordhausen und Suhl eine komfortable Ausstattung in quantitativer und geografischer Hinsicht. Die Strukturänderungen in der Arbeitsgerichtsbarkeit , die sich für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen auswirken, greifen erst seit dem 1. Januar 2014. Die Geschäftsentwicklung der Arbeitsgerichte wird diesseits ergebnisoffen verfolgt. Es ist derzeit noch zu früh, um weitergehende Schlussfolgerungen zu ziehen. Feststellbar ist bislang, dass sich der Rückgang der Eingangszahlen bei den Arbeitsgerichten, der den Landesgesetzgeber im Jahre 2011 zu Standortschließungen veranlasste, seitdem weiter fortsetzte. Zu 4.: Auf die Beantwortung der Frage 3 wird verwiesen. Entsprechende Maßnahmen sind derzeit nicht geplant. Zu 5.: Auf die Beantwortung der Frage 3 wird verwiesen. Entsprechende Maßnahmen sind derzeit nicht geplant. Zu 6.: Ein Ressortwechsel der Arbeitsgerichtsbarkeit ist nicht beabsichtigt. Die Bündelung aller Gerichtsbarkeiten in einem Rechtspflegeministerium bietet organisatorische und personalwirtschaftliche Vorteile. Lauinger Minister