17.08.2015 Drucksache 6/937Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 31. August 2015 Häusliche Gewalt gegen Männer in Thüringen Die Kleine Anfrage 375 vom 9. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut: Der Freistaat Thüringen stellt nicht zuletzt auf der Internetpräsenz der Koordinierungsstelle zur Prävention häuslicher Gewalt des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie häusliche Gewalt als ein überwiegend Frauen betreffendes Problem dar. Studien zufolge werden auch viele Männer Opfer häuslicher Gewalt. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Männer sind in Thüringen in den Jahren 2012, 2013 und 2014 Opfer häuslicher Gewalt geworden und wie bewertet die Landesregierung diese Zahlen? 2. Welche Intervention erfolgt in Fällen häuslicher Gewalt gegen Männer? 3. Welche Beratungs- und Hilfsangebote gibt es für von häuslicher Gewalt betroffene Männer und welche Stellen leisten sie? 4. Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung zum Schutz von Männern vor häuslicher Gewalt? 5. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung zur Prävention von häuslicher Gewalt gegen Männer? 6. Sind im Rahmen des Doppelhaushalts 2016/2017 entsprechende Programme vorgesehen? Wenn ja, mit welchen finanziellen Volumen sollen diese ausgestattet werden? 7. Inwieweit ist eine finanzielle Unterstützung bereits existenter Projekte bzw. Projektkonzeptionen zu Männerschutzangeboten und Männernotrufnetzwerken durch die Landesregierung möglich? 8. Welche Möglichkeit sieht die Landesregierung, dieses tabuisierte Thema mehr ins Bewusstsein der Gesellschaft zu rücken und Vorurteile abzubauen? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 14. August 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Thüringer Polizei registrierte im Jahr 2012 824 Fälle, im Jahr 2013 810 Fälle und im Jahr 2014 636 Fälle , in denen Männer Opfer häuslicher Gewalt wurden. Weibliche Opfer häuslicher Gewalt wurden je JahK l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Worm (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/937 resscheibe mehr als dreimal so häufig erfasst. Demgegenüber weist die Statistik der vier Interventionsstellen in Thüringen eine geringe Inanspruchnahme einer Erstberatung von Männern aus. So wandten sich im Jahr 2012 lediglich 65 Männer (6,74 Prozent), im Jahr 2013 54 Männer (5,47 Prozent) und im Jahr 2014 77 Männer (7,60 Prozent) an eine Beratungsstelle (vgl. Tabelle). Die Mehrzahl der männlich Betroffenen erhielt den Zugang zu den Interventionsstellen über die Polizei. Dies setzt einen polizeilichen Einsatz bzw. eine Anzeigenerstattung und die Einwilligung zur Datenweitergabe voraus. Vorgenannte Zahlen entsprechen dem Hellfeld von Polizei und Interventionsstellen. Zugleich belegen sie eine deutliche Diskrepanz zwischen den polizeilich erfassten männlichen Opfern häuslicher Gewalt und dem Bedarf beziehungsweise der Inanspruchnahme einer Erstberatung durch die betroffenen Männer. Gründe hierfür können u.a. die Unkenntnis bestehender Beratungsangebote als auch ein Schamgefühl der Opfer sein. Beratung von Opfern häuslicher Gewalt in den Thüringer Interventionsstellen in den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2014, unterteilt nach Frauen und Männern Jahr Fallzahlen Opfer insgesamt Frauen Anteil in Prozent Männer Anteil in Prozent 2011 992 938 94,56 54 5,44 2012 964 899 93,26 65 6,74 2013 988 934 94,53 54 5,47 2014 1013 936 92,40 77 7,60 Quelle: Statistik Interventionsstellen Zu 2.: Seitens der Thüringer Polizei werden je nach Gefahrenlage Maßnahmen nach dem Thüringer Polizeiaufgabengesetz eingeleitet. Dies sind in der Regel sogenannte Gefährdungsansprachen, Platzverweise und Wohnungsverweisungen gegenüber dem polizeirechtlichen Störer beziehungsweise der Störerin. Darüber hinaus können Kontaktverbote ausgesprochen als auch Personen in Gewahrsam genommen werden. Bei Vorliegen des Anfangsverdachts einer Straftat trifft die Polizei die erforderlichen Maßnahmen zu deren Verfolgung . Die Polizei übermittelt, sofern die gefährdete Person zustimmt, deren personenbezogenen Daten an eine der vier Interventionsstellen, § 18 Abs. 2 Thüringer Polizeiaufgabengesetz. Zu 3.: In Thüringen existiert seit 2009 ein flächendeckendes Beratungsnetz an Interventionsstellen. Diese vier Beratungsstellen an den Standorten Erfurt, Nordhausen, Meiningen und Gera, die nach dem pro-aktiven Ansatz arbeiten, dienen auch Männern, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, als Anlaufstellen für eine qualifizierte Erstberatung im Sinne des Schutzes und der Sicherheit der Betroffenen und zur Beratung über wohnortnahe Hilfs-, Beratungs- und Unterstützungsangebote wie beispielsweise Informationen zu zivilrechtlichen Möglichkeiten (Gewaltschutzgesetz). Bei Bedarf erfolgt eine Begleitung zu Gericht und zu Anwälten. Psychosoziale Interventionen sind stets vom Einzelfall abhängig. Weitervermittlungen erfolgen im Bedarfsfall an spezifische Fachberatungsstellen. Zu 4.: Eine längerfristige Beratung und Begleitung zur psychischen Stabilisierung, Aufarbeitung der Gewalterfahrung und Unterstützung zur Sicherung der existentiellen Grundlage bei Trennung und Neubeginn im Zusammenhang mit der Gewalterfahrung und -bedrohung kann in Einzelfällen geboten sein. Neben der Erstberatung der Interventionsstellen kann daher die Einrichtung einer Beratungsstelle für Männer, angesiedelt bei einer Interventionsstelle, sinnvoll sein. Hierfür bedarf es vorab weitergehender Erkenntnisse sowie einer Bedarfsermittlung außerhalb der bestehenden Datenerfassung durch die Polizei und die Interventionsstellen (sogenannte Dunkelfeldermittlung). Gleiches gilt für die Bedarfsermittlung hinsichtlich der Einrichtung eines sogenannten Männerhauses in Thüringen. Zu 5.: Der Prävention von häuslicher Gewalt gegen Frauen und Männer wird in der Landesregierung große Bedeutung beigemessen. Seit dem Jahr 2002 wurden in der Thüringer Polizei Leitlinien als Grundlage für 3 Drucksache 6/937Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode den Umgang der Thüringer Polizei mit häuslicher Gewalt erlassen und in allen Bereichen umgesetzt. Diese Leitlinien werden stetig fortgeschrieben und aktualisiert, letztmalig im Jahr 2014, und beinhalten die jeweils neuesten Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis. Zudem wurde eine landesweite Monitoringgruppe eingerichtet, die aus Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen interdisziplinär besetzt ist und eine Steuerungsfunktion wahrnimmt. Von familiärer Gewalt betroffene Männer können mit ihren Kindern jederzeit eine Familien- und Eheberatungsstelle oder Interventionsstelle kontaktieren. Ferner wird auf das bundesweite Hilfetelefon, erreichbar unter der Telefonnummer 08000116016 sowie unter www.hilfetelefon.de, hingewiesen. Zu 6.: nein Zu 7.: Hierzu liegen der Landesregierung keine Projektkonzeptionen vor. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 3 und 5 verwiesen. Zu 8.: Der Zugang für männliche Betroffene zum bundesweiten Hilfetelefon und zu den Interventionsstellen sollte durch eine geschlechterspezifische Ansprache und entsprechende Hilfsangebote für männliche Betroffene erleichtert werden. Auch kann das Aufgreifen des Themas in den Medien und dem Rundfunk zu einer Sensibilisierung der Bevölkerung beitragen. In Vertretung Feierabend Staatssekretärin