19.08.2015 Drucksache 6/943Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 8. September 2015 Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Thüringen Die Kleine Anfrage 364 vom 30. Juni 2015 hat folgenden Wortlaut: Vor dem Hintergrund des Gesetzesvorschlags der Bundesregierung zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) werden ab dem 1. Januar 2016 aller Voraussicht nach unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. Ich frage die Landesregierung: 1. Mit wie vielen betroffenen Kindern und Jugendlichen rechnet die Landesregierung in Thüringen für die Jahre 2016, 2017 und 2018 und welchem Entwicklungstrend folgt die Hochrechnung? 2. Welche Alters- und Geschlechtsverteilung der betroffenen Kinder und Jugendlichen wird seitens der Landesregierung erwartet? 3. Wie viele Heimplätze nach § 34 SGB VIII stehen derzeit für die Erziehung der betroffenen Kinder und Jugendlichen in Thüringen zur Verfügung? 4. Wie viele Heimplätze nach § 34 SGB VIII stehen zur Erziehung der betroffenen Kinder und Jugendlichen in Thüringen ab dem 1. Januar 2016 zur Verfügung und wie viele Heimplätze fehlen perspektivisch bis 2018? 5. Werden in Analogie zur Schaffung von Flüchtlingsunterkünften die Investitionskosten für die Schaffung von Heimplätzen für die betroffenen Kinder und Jugendlichen pauschal bezuschusst und wenn ja, in welcher Höhe? 6. Erhalten die Einrichtungen der stationären Jugendhilfe Unterstützung durch Sprachmittler und wenn nein, warum nicht? 7. Wie groß sind durchschnittlich die Wohngruppen, in denen die betroffenen Kinder und Jugendlichen untergebracht werden sollen? 8. Ab welcher Größe der Wohngruppen muss welches Betreuungspersonal zur Verfügung gestellt werden? 9. Wie viele Fachkräfte (Erzieher und Sozialpädagogen) bildet der Freistaat Thüringen derzeitig pro Jahr aus und wie viele davon verlassen jährlich den Thüringer Arbeitsmarkt durch Ruhestand, Wegzug etc.? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Krumpe (fraktionslos) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/943 10. Wie soll der Mangel an Fachkräften im Erziehungs- und Sozialbereich gedeckt werden, um eine ausreichende Betreuung für die betroffenen Kinder und Jugendlichen bereitzustellen? Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 17. August 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Mit Stichtag 31. Mai 2015 wurden bundesweit 22.443 unbegleitete minderjährige ausländische Kinder und Jugendliche im Zuständigkeitsbereich der Jugendhilfe erfasst (Quelle: Bundesministerium für Familie, Senioren , Frauen und Jugend). In Thüringen waren es zu diesem Stichtag 145 unbegleitete minderjährige ausländische Kinder und Jugendliche. Aktuell ergibt sich auf der Basis von bundesweit 22.443 unbegleiteten minderjährigen ausländischen Kindern und Jugendlichen - nach dem Königsteiner Schlüssel von 2,72451 Prozent - für Thüringen eine Aufnahmequote von derzeit 612 unbegleiteten minderjährigen ausländischen Kindern und Jugendlichen. Aussagen für 2017 und 2018 können noch nicht getroffen werden. Zu 2.: Die bisherige Altersspanne bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen lag zwischen 16 und 18 Jahren. In Thüringen kamen überwiegend männliche minderjährige Flüchtlinge an. Bundesweit sind in der Vergangenheit nur ca. sechs Prozent weibliche unbegleitete minderjährige ausländische Kinder und Jugendliche angekommen. Eine Prognose über eine mögliche Veränderung der Alters- und Geschlechtsverteilung kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht gestellt werden. Zu 3.: In Thüringen gibt es 2.733 genehmigte Plätze für Maßnahmen der Jugendhilfe in stationären Einrichtungen der Erziehungshilfe (Stichtag: 31. Dezember 2014). Nach der Belegungsmeldung aller betriebserlaubnispflichtigen Einrichtungen der stationären Erziehungshilfe waren zum Stichtag 1. Juli 2015 von den genehmigten Plätzen ca. 145 nicht belegt. Jedoch sind nicht alle freien Plätze auch für die Unterbringung und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen ausländischen Kindern und Jugendlichen geeignet, dies muss in jedem Einzelfall geprüft werden. Zu 4.: In Abstimmung mit den öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe werden Plätze gemäß § 34 SGB VIII für die Unterbringung und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen ausländischen Kindern und Jugendlichen in stationären Einrichtungen der Erziehungshilfe geschaffen, so dass diese bedarfsgerecht ab 1. Januar 2016 (mit dem Inkrafttreten des Gesetzes) vorgehalten werden können. Zu 5.: Die Bezuschussung für die Schaffung von Platzangeboten für unbegleitete minderjährige ausländische Kinder und Jugendliche in Einrichtungen der Erziehungshilfe soll (in Anlehnung an die Förderung von Plätzen in Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge) nach einer noch zu erlassenden Richtlinie erfolgen. Die Höhe soll pro Platz 7.500 Euro betragen. Zu 6.: Die Einrichtungen der stationären Erziehungshilfe erhalten Unterstützung durch Sprachmittler im jeweils erforderlichen Umfang. Die Kosten hierfür sind in den Entgelten der jeweiligen stationären Einrichtungen der Erziehungshilfe zu berücksichtigen. Zu 7.: Die Unterbringung und Betreuung von unbegleiteten minderjährigen ausländischen Kindern und Jugendlichen hat gemäß Jugendhilfestandards zu erfolgen. Diese sind in Thüringen in den "Fachlichen Empfehlungen für den Betrieb erlaubnispflichtiger Einrichtungen gemäß § 45 SGB VIII (außer Kindertageseinrichtungen )" (Beschluss LJHA 3. Juni 2013) festgeschrieben. In den Wohngruppen für unbegleitete minderjährige ausländische Kinder und Jugendliche bzw. in Wohngruppen mit integrativer Unterbringung werden in der Regel maximal zehn Kinder und Jugendliche betreut. 3 Drucksache 6/943Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 8.: Die Anzahl des Betreuungspersonals hängt vom tatsächlichen Betreuungsbedarf und der Betreuungsintensität (laut Dienstplan) ab. Durchschnittlich wird bei dieser besonders schutzbedürftigen Zielgruppe von einem intensiv-therapeutischen Betreuungsbedarf ausgegangen. Hierfür sind für eine Gruppe von zehn unbegleiteten minderjährigen ausländischen Kindern und Jugendlichen in der Regel sechs Fachkräfte erforderlich. Zu 9.: Die Anzahl der in Thüringen ausgebildeten Erzieher und Sozialpädagogen stellt sich wie folgt dar: Schuljahr Beruf Absolventen 2012/2013 Sozialpädagoge/-in und Erzieher/-in 3.104 2013/2014 Sozialpädagoge/-in und Erzieher/-in 3.274 2014/2015 Sozialpädagoge/-in und Erzieher/-in 3.295 (Quelle: Thüringer Landesamt für Statistik) Wie viele davon jährlich den Thüringer Arbeitsmarkt verlassen, wird statistisch nicht erfasst. Zu 10.: Momentan ist in den erlaubnispflichtigen Einrichtungen der stationären Erziehungshilfe die Betreuung der Kinder und Jugendlichen durch eine ausreichende Anzahl von Fachkräften abgedeckt, da das Vorhalten von Mindestpersonal im Rahmen des Fachkräftegebots zur Sicherung des Kindeswohls eine bindende Voraussetzung für die Erteilung und Aufrechterhaltung der Betriebserlaubnis ist. Darüber hinaus ist die Möglichkeit gegeben, dass gemäß § 23 Satz 2 Thüringer Kinder- und JugendhilfeAusführungsgesetz auf Antrag des Trägers der Einrichtung andere geeignete Personen zugelassen werden können. Hier besteht u. a. auch die Möglichkeit, auf geeignete ausländische Betreuungskräfte mit einschlägiger Berufsausbildung und Berufserfahrung zurückzugreifen. In Vertretung Ohler Staatssekretärin