27.08.2015 Drucksache 6/964Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 10. September 2015 Religionsunterricht an Thüringer Schulen Die Kleine Anfrage 381 vom 9. Juli 2015 hat folgenden Wortlaut: Im Artikel 7 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ist festgeschrieben, dass die Erziehungsberechtigten über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht entscheiden und das Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen, mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen, ordentliches Lehrfach ist. In diesem Sinne ist der Religionsunterricht fester Bestandteil des Fächerkanons in Thüringer Schulen. Im Juli 2014 berichtete die Ostthüringer Zeitung unter der Überschrift "Kreiskirchenrat schlägt Alarm: Religionsunterricht fällt in Saalfeld-Rudolstadt immer öfter aus" darüber, dass im nächsten Schuljahr an bis zu zehn Schulen im Landkreis mindestens 40 Stunden ausfallen, weil dafür keine Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Das sei nach Aussage des Schulbeauftragten für die Propstei Meiningen-Suhl nur der angemeldete Bedarf. Bestimmte Schulen würden überhaupt keinen Bedarf mehr anmelden, weil sie parallel keinen Ethikunterricht anbieten können. Aktuelle Wortmeldungen von Elternvertretern verschiedener Schulen im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt bestätigen, dass sich an der Situation im Verlauf des Schuljahres 2014/2015 nichts geändert hat. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass an vielen Schulen weniger Religionsunterricht erteilt wird als von der Stundentafel vorgesehen? 2. Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten von Schülerinnen und Schülern will der Religions- bzw. Ethikunterricht an Thüringer Schulen entwickeln? 3. In welchem Umfang (Wochenstundenzahl) wird Religions- bzw. Ethikunterricht an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen in Thüringen unterrichtet (aufgeschlüsselt nach Schulart bzw. Ausbildungsgang und Klassenstufe bzw. Ausbildungshalbjahr)? 4. An wie vielen Schulen in Thüringen wird tatsächlich weniger Religions- und Ethikunterricht erteilt als von der Stundentafel vorgesehen und aus welchen Gründen? 5. Wie viele Unterrichtsstunden erfahren Schülerinnen und Schüler in ihrer Schullaufbahn durchschnittlich an Religions- bzw. Ethikunterricht (aufgeschlüsselt nach Schulart)? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kowalleck (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/964 6. Wie viele Klassen werden im evangelischen, katholischen oder jüdischen Religions- oder Ethikunterricht derzeit schul- oder schulartübergreifend unterrichtet und wie hat sich die Anzahl dieser schul- und schulartübergreifenden Klassen in den letzten fünf Jahren entwickelt (bitte gegliedert nach Unterrichtsfach)? 7. Welche Gründe gibt es für die Einrichtung schul- bzw. schulartübergreifender Klassen? 8. Wie viele Lehrerinnen und Lehrer unterrichteten im Schuljahr 2014/2015 das Fach evangelische, katholische oder jüdische Religionslehre an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen in Thüringen (bitte aufgeschlüsselt nach Schulart und Unterrichtsfach)? 9. Wie viele Gestellungskräfte unterrichteten im Schuljahr 2014/2015 das Fach evangelische, katholische oder jüdische Religionslehre an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen (bitte nach absoluten Zahlen aufschlüsseln und den prozentualen Anteil im Vergleich zu den staatlichen Lehrkräften darstellen)? 10. Wie viele staatliche Religionslehrer scheiden in den nächsten fünf Jahren aus dem Schuldienst aus (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? 11. Wie prognostiziert die Landesregierung die Bedarfe an staatlichen Religionslehrern in den nächsten fünf Jahren (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? 12. Wie schätzt die Landesregierung die Situation für das bevorstehende Schuljahr 2015/2016 ein? Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 26. August 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: In der Regel wird der Religionsunterricht nach den Rahmenvorgaben in den Thüringer Stundentafeln angeboten . In Einzelfällen kann es zu einer Kürzung der Stundentafel auf eine Wochenstunde durch die Bildung von kleinen Klassen nach § 44 Abs. 1 Thüringer Schulordnung (ThürSchulO) kommen. Ebenso werden in Einzelfällen jahrgangs- bzw. schul- und schulartübergreifende Lösungen angeboten. Diese Maßnahmen liegen zum einen in der Bildung sinnvoller bzw. möglicher Lerngruppen aufgrund geringer Schülerzahlen für den Religionsunterricht begründet, zum anderen im regionalen Mangel an ausgebildeten Lehrkräften. In allen Fällen ist die Lehrstoffverteilung so gestaltet, dass die Lehrplanziele erfüllt werden. Zu 2.: In den Fächern Religionslehre und Ethik werden die Schülerinnen und Schüler u.a. zur Achtung vor dem menschlichen Leben, zur Verantwortung in der Gemeinschaft und zu einem verantwortlichen Umgang mit der Umwelt und der Natur erzogen. Sie werden auf das Berufsleben vorbereitet, zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und Mitgestaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie zum bewussten, selbstbestimmten und kritischen Umgang mit Medien befähigt. Weitere Ziele sind die Erziehung zur Aufgeschlossenheit für Kultur und Wissenschaft sowie die Achtung vor den religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer. Die Schülerinnen und Schüler lernen, ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Toleranz sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten. Der Unterricht in den o.g. Fächern bestimmt sich nach den Rahmenstundentafeln der Thüringer Schulordnung (vgl. § 44 ThürSchulO). Beim staatlichen Religionsunterricht handelt es sich um Unterricht zur Glaubensunterweisung. In ihm sind Glaubenssätze der jeweiligen Religionsgemeinschaft zu vermitteln. Gemäß § 46 Abs. 4 Sätze 2 und 3 dient der Ethikunterricht dem kritischen Verständnis von gesellschaftlich wirksamen Wertvorstellungen und Normen als Grundlage verantwortlichen Urteilens und Handelns. Sein Inhalt orientiert sich an den sittlichen Grundsätzen, wie sie im Grundgesetz niedergelegt sind. Fachspezifische Fähigkeiten und Fertigkeiten ergeben sich aus den jeweiligen Lehrplänen. 3 Drucksache 6/964Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 3.: In der Regel wird der Religionsunterricht nach den Rahmenvorgaben in den Thüringer Stundentafeln angeboten . In Einzelfällen kann es zur Kürzung der Stundentafel auf eine Wochenstunde durch die Bildung von kleinen Klassen nach § 44 Abs. 1 ThürSchulO kommen. Die Stundentafeln sehen vor (in Wochenstunden): Grundschule Klassen 1 bis 4 je 2 Regelschule Klassen 5/6, 7/8 und 9/10 je 4 Praxisklassen 8 und 9 und zusätzliches 10. Schuljahr je 2 Regelschulklassenstufen 7/8 und 9/10 am Sportgymnasium je 4 Gymnasium 5/6, 7/8 und 9/10 je 4 11 S je 2 Musikgymnasium/Sportgymnasium Klassen 5/6, 7/8 und 9/10 je 4 Naturwissenschaftliche Spezialklassen 9 und 10 am Gymnasium je 4 11 Sp je 2 Spezialgymnasium für Sprachen 5/6, 7/8 und 9/10 je 4 Gemeinschaftsschule 1 bis 10 Schuleingangsphase je 2 Klassen 3 und 4 je 2 Klassenstufen 5/6, 7/8 und 9/10 je 4 Kooperative Gesamtschule Klassenstufen 5/6, 7/8 und 9/10 je 4 Integrierte Gesamtschule Klassenstufen 5/6, 7/8 und 9/10 je 4 Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe je 2 Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe mit mathematisch-naturwissenschaftlichen Spezialklassen oder Spezialgymnasium für Sport oder Musik oder Sprachen je 2 BVJ und Berufsschule (nach 9. oder 10. Klasse möglich) je 1 Wahlschulformen der berufsbildenden Schule Wochenstunde(n) Klassenstufe 10 Klassenstufe 11 Klassenstufe 12 Klassenstufe 13 BFS 1/2 1 1 BFS 3 1 1 1 FOS 1 BG 2 2 2 In den Wahlschulformen HBFS 2 und FS wird das Fach Berufsethische Grundfragen mit einer Wochenstunde unterrichtet (Bei der FS beträgt bei einer Ausbildungsdauer von drei Jahren die Gesamtstundenzahl 80 (Abschluss nach dem 2. Ausbildungsjahr). Zu 4.: Eine solche Erhebung liegt nicht vor. Die Erfüllung des Lehrplans ist gegeben. Gründe sind in Antwort zu Frage 1 dargestellt. Zu 5.: Werden 40 Unterrichtswochen pro Schuljahr angesetzt, erfahren die Schülerinnen und Schüler der allgemein bildenden Schulen durchschnittlich 800 Unterrichtsstunden (Klassen 1 bis 10) bzw. 960 Unterrichtsstunden (Klassen 1 bis 12) Religions- bzw. Ethikunterricht. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/964 Werden bei den berufsbildenden Schulen 40 Unterrichtswochen pro Ausbildungsjahr angesetzt, erfahren die Schülerinnen und Schüler durchschnittlich von Klasse 10 bis 13 160 Unterrichtsstunden Religions- bzw. Ethikunterricht. Zu 6.: Die Anzahl der Gruppen im schulartübergreifenden Unterricht stellt sich in den einzelnen Schuljahren und Unterrichtsfächern wie folgt dar: Schuljahr 2010/2011 2011/2012 2012/2013 2013/2014 2014/2015 Ethik 84 89 43 24 62 Evangelische Religionslehre 97 98 46 18 27 Katholische Religionslehre 48 44 31 11 22 Angaben zu schulübergreifenden Gruppen sowie zum jüdischen Religionsunterricht liegen nicht vor. Zu 7.: Diese Maßnahmen liegen zum einen in der Bildung sinnvoller bzw. möglicher Lerngruppen aufgrund geringer Schülerzahlen für den Religionsunterricht begründet, zum anderen im regionalen Mangel an ausgebildeten Lehrkräften. Zu 8.: Das Fach evangelische Religionslehre unterrichteten an allgemein bildenden Schulen 608 und an berufsbildenden Schulen 31 Lehrerinnen und Lehrer. Das Fach katholische Religionslehre unterrichteten an allgemein bildenden Schulen 173 und an berufsbildenden Schulen drei Lehrerinnen und Lehrer. Zu 9.: Maßgeblich sind die Bestimmungen der geltenden Gestellungsverträge. Danach ist die Anzahl der gehaltenen Unterrichtsstunden durch fachlich und persönlich geeignete kirchliche Bedienstete von zentraler Bedeutung , nicht jedoch die Anzahl der unterrichtenden Personen. Deshalb liegt im Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport keine diesbezügliche Auswertung vor. Für das Fach Jüdische Religionslehre steht eine Gestellungskraft zur Verfügung. Zu 10.: Im Schuljahr 2015/2016 scheiden voraussichtlich 17 staatliche Religionslehrer aus dem Schuldienst aus, in den darauf folgenden Schuljahren sind es nach den derzeitigen Prognosen 14, 22, 26 und 30. Zu 11.: Nach der derzeitigen Prognose entsteht für das Schuljahr 2018/2019 ein Bedarf von fünf, und für das Schuljahr 2019/20120 ein Bedarf von zehn Vollzeitbeschäftigteneinheiten. Ein Bedarf von fünf Vollzeitbeschäftigteneinheiten kann bedeuten, dass bei einem Zweifachlehrer zehn Personen notwendig sind, um den Bedarf für Religionslehre und das Zweitfach zu decken. Zu 12.: Auch im Schuljahr 2015/2016 wird der staatliche Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen als ordentliches Lehrfach ordnungsgemäß erteilt werden. Dr. Klaubert Ministerin