31.08.2015 Drucksache 6/979Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 15. September 2015 Arbeitsmarktintegration von Asylbewerbern Die Kleine Anfrage 362 vom 25. Juni 2015 hat folgenden Wortlaut: Laut zahlreichen Aussagen von Ministerpräsident Ramelow und anderen Vertretern der Landesregierung wolle man in Thüringen Flüchtlinge schnell in Arbeit bringen und aus ihnen Neubürger machen.1 Gleichzeitig fordern Vertreter der Wirtschaft und der Banken, wie die Chefvolkswirtin der Helaba, eine erfolgreiche Integration der Neuankömmlinge und sprechen von einer Verjüngung des Arbeitskräftepotenzials durch eben diese.2 Für eine realistische Betrachtung gilt es zu ermitteln, inwiefern Asylbewerber und Ausländer als Fachkräfte und als Hochqualifizierte für offene Stellen in Frage kommen. Ich frage die Landesregierung: 1. Bis wann ist die Einführung einer systematischen Erfassung der Qualifikationen und Berufserfahrungen von Asylbewerbern in den Erstaufnahmestellen des Freistaats Thüringen geplant? 2. Wie viel Prozent der sich zum aktuellen Zeitpunkt im Freistaat Thüringen aufhaltenden Asylbewerber können nach Schätzungen der Landesregierung als Fachkräfte/Hochqualifizierte angesehen werden? 3. Wie viel Prozent der sich zum aktuellen Zeitpunkt im Freistaat Thüringen aufhaltenden Ausländer können nach Schätzungen der Landesregierung als Fachkräfte/Hochqualifizierte angesehen werden? Auf welchen prozentualen Anteil schätzt die Landesregierung dabei die EU-Bürger bzw. Ausländer aus Drittstaaten ein? 4. Wie hat sich die Anzahl der ausländischen Fachkräfte/der Hochqualifizierten im Freistaat Thüringen seit 1991 entwickelt (bitte nach Jahresscheiben und den jeweiligen Aufenthalts- und Niederlassungserlaubnissen aufschlüsseln)? 5. Welche gesetzgeberischen Maßnahmen auf Bundes- oder Landesebene will die Landesregierung initiieren , um den Übergang vom Asylverfahren in einen an einen Erwerbszweck geknüpften Aufenthaltstitel zu erleichtern? 6. Welche Position vertritt die Landesregierung zu einem auf Punkten basierenden Zuwanderungssystem, das der Zuwanderung von Fachkräften und Hochqualifizierten nach dem Bedarf der Thüringer Wirtschaft dienen soll? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Möller (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/979 7. In welchen Branchen sieht die Landesregierung in den nächsten zehn Jahren besonderen Fachkräftebedarf in Thüringen? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 28. August 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die systematische Erfassung der Qualifikationen, Berufserfahrungen und Sprachkenntnisse von Asylbewerbern in den Landesaufnahmestellen ist in Vorbereitung. In diesem Zusammenhang wird zurzeit unter Federführung der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit sowie unter Beteiligung weiterer sachkundiger Stellen ein Fragebogen entwickelt. Ein konkreter Termin für den Einsatz des Fragebogens kann noch nicht benannt werden, da der Fragebogen noch inhaltlich abgestimmt werden muss. Zu 2.: Statistische Angaben im Sinne der Fragestellung liegen der Landesregierung nicht vor. Zu 3.: Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Zu 4.: Die Qualifikationen der in Thüringen beschäftigten ausländischen Staatsangehörigen werden statistisch nicht erfasst. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ausländer und der geringfügig entlohnten beschäftigten Ausländer mit Arbeitsort in Thüringen seit Dezember 2009 ergibt sich aus den Anlagen 1 und 2. Der aufenthaltsrechtliche Status ist nicht Gegenstand der Statistiken. Darüber hinausgehende statistische Angaben liegen der Landesregierung nicht vor. Zu 5.: Die Überlegungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen setzt sich die Landesregierung fortlaufend in den Fachministerkonferenzen oder im Bundesrat für die Belange im Bereich der Asyl- und Migrationsthemen – z. B. für eine ausreichende finanzielle Ausstattung der zuständigen Stellen bei der Bewältigung der beruflichen Integration von Migranten – ein. Das betrifft z. B. die finanzielle und personelle Ausstattung der Agenturen für Arbeit und der Jobcenter. Die Landesregierung hat z. B. über den Bundesrat auch erreicht, dass § 60a Abs. 2 Aufenthaltsgesetz ergänzt wird. Durch diese Regelung wird klargestellt, dass jugendliche und heranwachsende Ausländer eine Duldung zur Absolvierung einer Berufsausbildung erhalten können. Zu 6.: Die Landesregierung steht einem Einwanderungsgesetz, in dem sämtliche Regelungen für die arbeitsmarktbezogene Einwanderung zusammengefasst werden, positiv gegenüber. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens können auch Arbeitsmigrationsmodelle anderer Staaten, wie z.B. ein Punktesystem, bewertet werden. Zu 7.: Informationen zu den Branchen mit besonderem Fachkräftebedarf sind in den Thüringer Fachkräftestudien enthalten – zuletzt als "Fachkräfteperspektive Thüringen 2025" zum Jahresende 2013 vom damaligen Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Technologie veröffentlicht. Nach dieser Studie werden bis zum Jahr 2025 in Thüringen 280.000 neue Arbeitskräfte benötigt. Die künftige Nachfrage der Thüringer Wirtschaft ergibt sich einerseits aus dem Ersatzbedarf an rund 210.000 Arbeitskräften , die bis zum Jahr 2025 aus Altersgründen aus dem Erwerbsleben ausscheiden werden, andererseits aus dem Erweiterungsbedarf an rund 70.000 Arbeitskräften, der aus der dynamischen Wirtschaftsentwicklung am Standort resultiert. Dabei entsteht der größte Teil – ca. drei Viertel – des Fachkräftebedarfs in drei Wirtschaftsbereichen: dem verarbeitenden Gewerbe mit ca. 70.000, den unternehmensnahen Dienstleistungen mit ca. 68.800 und dem Gesundheits- und Sozialwesen mit ca. 67.000 benötigten Fachkräften. 3 Drucksache 6/979Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Im verarbeitenden Gewerbe werden die meisten Beschäftigten in der Computer-, Optik- und Elektronikbrache (15.700), im Maschinenbau (12.200), in der Kunststoffbranche (7.600), in der Metallverarbeitung (7.200) und in der Ernährungswirtschaft (5.400) gesucht. Auch die Automobilbranche hat bis 2025 rund 3.400 Stellen zu besetzen. Lauinger Minister Anlagen*) Endnote 1 vgl. z.B. Th. Bickelhaupt/M. Geiler: "Bundesmittel für Flüchtlinge zu gering", in: Thüringische Landeszeitung, 13. Juni 2015, Seite 11 und die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Ramelow; Protokoll (Landtag), 6. Wahl-periode , 7. Sitzung, 26. Februar 2015, Seite 300; siehe auch: http://www.welt.de/politik/deutschland/article142352963/ Die-Bedrohung-meiner-Frau-ging-unter-die-Haut.html 2 vgl. M. Benkenstein: Einwanderungsland Thüringen, in: Thüringische Landeszeitung, 18. Juni 2015, Seite 4 *) Hinweis: Auf den Abdruck der Anlagen wurde verzichtet. Ein Exemplar mit Anlagen erhielten jeweils die Fraktionen und die Landtagsbibliothek. Des Weiteren können sie im Abgeordneteninformationssystem unter der oben genannten Drucksachennummer sowie im Internet unter der Adresse: www.parldok.thueringen.de eingesehen werden. Erfurt Anlage 1 zu Frage 4 Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (Ausländer mit Arbeitsort in Thüringen) Stichtag: 31.12.2014 Stichtage Insgesamt Veränderung zum Vorjahresmonat (VJM) Veränderung zum Vorquartal (VQ) VJM absolut VJM % VQ absolut VG % 1 2 3 4 5 Dezember 2009 6.635 - - - - März 2010 6.799 - - 164 2,5 Juni 2010 7.436 - - 637 9,4 September 2010 7.951 - - 515 6,9 Dezember 2010 7.574 939 14,2 377 -4,7 März 2011 7.859 1.060 15,6 285 3,8 Juni 2011 8.955 1.519 20,4 1.096 13,9 September 2011 9.752 1.801 22,7 797 8,9 Dezember 2011 9.329 1.755 23,2 423 -4,3 März 2012 9.989 2.130 27,1 660 7,1 Juni 2012 11.247 2.292 25,6 1.258 12,6 September 2012 12.283 2.531 26,0 1.036 9,2 Dezember 2012 11.521 2.192 23,5 762 -6,2 März 2013 11.990 2.001 20,0 469 4,1 Juni 2013 13.050 1.803 16,0 1.060 8,8 September 2013 14.403 2.120 17,3 1.353 10,4 Dezember 2013 13.464 1.943 16,9 939 -6,5 März 2014 14.458 2.558 21,3 1.084 8,1 Juni 2014 16.246 3.196 24,5 1.698 11,7 September 2014 17.431 3.028 21,0 1.185 7,3 Dezember 2014 16.680 3.216 23,9 751 -4,3 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit Anlage 2 zu Frage 4 Geringfügig entlohnte Beschäftigte (Ausländer mit Arbeitsort in Thüringen) Stichtag: 31.12.2014 Stichtage Insgesamt Veränderung zum Vorjahresmonat (VJM) Veränderung zum Vorquartal (VQ) VJM absolut VJM % VQ absolut VG % 1 2 3 4 5 Dezember 2009 1.732 - - - - März 2010 1.729 - - -3 -0,2 Juni 2010 1.753 - - 24 1,4 September 2010 1.741 - - 12 -0,7 Dezember 2010 1.786 54 3,1 45 2,6 März 2011 1.759 30 1,7 27 -1,5 Juni 2011 1.866 113 6,4 107 6,1 September 2011 1.766 25 1,4 100 -5,4 Dezember 2011 1.817 31 1,7 51 2,9 März 2012 1.828 69 3,9 11 0,6 Juni 2012 1.899 33 1,8 71 3,9 September 2012 1.950 184 10,4 51 2,7 Dezember 2012 1.976 159 8,8 26 1,3 März 2013 2.053 225 12,3 77 3,9 Juni 2013 2.207 308 16,2 154 7,5 September 2013 2.113 163 8,4 94 -4,3 Dezember 2013 2.305 329 16,6 192 9,1 März 2014 2.346 293 14,3 41 1,8 Juni 2014 2.551 344 15,6 205 8,7 September 2014 2.562 449 21,2 11 0,4 Dezember 2014 2.668 363 15,7 106 4,1 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit